Grün ist des Lebens goldener Baum
Irgendwie bereitet es mir immer wieder Freude, Gedanken
anzuführen, die so konträr zu dem stehen, was uns eigentlich von Kindesbeinen
an nahegelegt wurde. So kam auch diese These zustande, die besagt:
Eigentlich ist der Mensch gerade dann stark, wenn er sich
traut, auch schwach zu erscheinen- wenn er sich zu Fehlern,
Unsicherheiten, Ecken und Kanten bekennt
– wenn seine Verletzlichkeit spürbar wird. Dann nämlich passiert nichts Anderes,
als dass jener Mensch seine wahre Natur zum Ausdruck bringt, denn des Menschen
wahre Natur ist das reine Menschsein- absolut authentisch! Wir sind nun mal
keine Maschinen, die nach irgendeinem festgelegten Programmen funktionieren und
doch hab ich mit Blick auf das äußere Weltgeschehen und die Art, wie Menschen
sich präsentieren, sehr oft diese Vermutung!
Nun gut, ich weiche eh nicht mehr von dem Bild ab, dass
Menschen Tag für Tag ihre durch das System gesteuerte Bühne betreten und
einfach nur ihre erlernten Rollen ausüben. Genau nach den Grundsätzen, die man
ihnen in früher Kindheit vermittelte.
Allerdings werde ich
dann auch still, weil ich mich frage: Wie ergeht es jenen Menschen, wenn sie
mal nicht auf dieser Bühne stehen müssen, auf der ja zumeist alles nach
Präsentation, Perfektion, Strahlegesicht, Erfolg und Anerkennung ruft? Sind sie
dann in der Lage zu hinterfragen, was wirklich in ihnen ruft?
Ich denke, wir kommen an der Wahrheit nicht vorbei, uns zu
sagen, dass jedes Rollenspiel eine Verleugnung unserer inneren Wahrheit ist.
Und vielleicht sitzt dann einer der mächtigen einflussreichen Personen abends
allein in seinen vier Wänden und fragt sich: Ist das wirklich mein Leben, das
ich mir insgeheim erträume? Gut, ich bin eine erfolgreiche einflussreiche
Person- die Menschen applaudieren mir, weil ich etwas darstelle und es zu etwas
gebracht habe…….es trat alles so ein, wie es mich mein Vater lehrte- der
Erfolgsplan ging auf-…..aber in mir, da ist es irgendwie leer! Warum spüre ich
mich nicht richtig?
Unsere Seele spricht eine völlig andere Sprache und setzt
andere Prioritäten. Ihr geht es darum, dass wir konsequent unsere innere
Wahrheit leben- dass wir uns lediglich
im Rahmen unserer Möglichkeiten wie Fähigkeiten bewegen- und „einfach“
nur in jeder Situation wir selbst sind- ohne Verschleierung, ohne Schutzgewand
und mit einem Selbstbewusstsein, das eine etwas andere Definition trägt: „Ich
bin mir meiner selbst bewusst- mit all meinen Stärken, Schwächen und allem, was
mich zu dem gemacht hat, was ich heute bin.“
Mal ganz ehrlich- sind es nicht gerade die menschlichen
Ecken und Kanten, die uns das Gefühl geben, sich im Anderen wiederzufinden?
Auch ich sage mit Freude: Ich bin
herrlich schwach und unvollkommen, mache meine Fehler, versteh mich oft selbst
nicht- aber dafür bin ich halt Mensch! Ich bin, die ich bin und darauf bin ich
stolz! Ich entstamme keiner einheitlichen Gussform- sondern ließ mich vom
hautnahen Leben formen, ließ mich von ihm durchkneten- bin zig mal gefallen und
hab mich wieder aufgerappelt!
Die Achterbahn ist wie mein Leben und das
Leben
ist ein starkes, berauschendes Spiel.
Leben heißt mit einem Fallschirm abspringen;
Leben heißt etwas riskieren, hinfallen und wieder aufstehen;
Leben ist wie Steilwandklettern, es bedeutet, nicht zu ruhen
ist ein starkes, berauschendes Spiel.
Leben heißt mit einem Fallschirm abspringen;
Leben heißt etwas riskieren, hinfallen und wieder aufstehen;
Leben ist wie Steilwandklettern, es bedeutet, nicht zu ruhen
und nicht zu rasten, bis man den eigenen
Gipfel erklommen hat.
(Paulo Coelho)
(Paulo Coelho)
Das ist Leben in
seiner absolut natürlichen Ausgabe und ich bereue es keinen Augenblick, niemals
auf Rosen gebettet gewesen zu sein. Das wäre mir viel zu langweilig geworden.
Es geht ja im Endeffekt nicht darum, was so alles
geschah- wichtig ist dieser Schatz an Erfahrungen, der uns letztendlich in ein
ganz bestimmtes Bewusstsein führt.
Goethe schrieb dazu:
„Grau ist alle Theorie,
grün ist des Lebens goldener Baum!“
Es wird unmöglich sein, Leben als das zu erfahren, was es
ist, lassen wir nicht zu, dass es uns
hautnah ansprechen darf! Kein noch so gutes Fachbuch, kein noch so guter Rat
Anderer ersetzt das eigene Erleben, den langen Weg durch Freude, Leid und
Schmerz, Höhen und Tiefen
Und wenn es den einen großen Sieg im Leben gibt, dann den
über all das, was uns in der Kindheit von uns selbst und der Wahrheit des
Lebens entfernte! Ja, es wird ein Sieg über den Verstand sein, über diese
angebliche Wahrheit der eingeatmeten Glaubenssätze, Überzeugungen, der völlig
verzerrten Lebensbilder! Niemand hat gesagt, dass der Weg leicht ist- aber
jedes Hinken, Fallen, Verzagen ist allemal besser, als festen Schrittes auf
einem Weg zu wandeln, der gar nicht der unsrige ist.
Jeder ist eine Kerze,
angesteckt bei der Geburt.
Nur zu viele
haben sich
ausblasen lassen
von den Winden
der Regeln und Normen,
der Vorschriften und Moral...
Sie brennen nicht mehr.
© Kristiane Allert-Wybranietz
angesteckt bei der Geburt.
Nur zu viele
haben sich
ausblasen lassen
von den Winden
der Regeln und Normen,
der Vorschriften und Moral...
Sie brennen nicht mehr.
© Kristiane Allert-Wybranietz
Leben ist nun mal- wie Arthur Miller es beschrieb- eine
harte Nuss, die sich nicht zwischen zwei weichen Kissen knacken lässt.
Leben geht es darum, uns von dieser Verstandesbühne
herunterzuholen, uns zu bewegen, die angelegten Gewänder der Kindheit
abzustreifen, uns aus der Masse zu lösen, um unseren ganz eigenen Weg zu
beschreiten. Es kann nicht sein, dass wir mit dem Bestreben unterwegs sind ,
dass andere uns unseren Wert mitteilen, dass unser Wohlgefühl von ihrem Lob ,
ihrer Zuwendung abhängig ist! Es reicht, wenn wir uns selbst loben- wenn wir
uns im stillen Kämmerlein unseres Wertes bewusst sind!
Unser Glück liegt halt allein nur in der Beziehung und
Achtung zu uns selbst!
Und ehrlich gefragt: Will der Mensch eigentlich im Grunde
seines Herzens dafür gelobt und geliebt werden, dass er seine erlernte Rolle
mit Bravour ausübt? Ruft da nicht in uns eine ganz andere Sehnsucht? Vielleicht
mit dem Wunsch: „Ich möchte doch so geliebt werden, wie ich wirklich bin und
fühle- trotz meiner Schwächen und meiner Unvollkommenheit- halt in meinem
„puren seelischen“ Nacktsein!?"
Ich denke, dieser Wunsch ist das Natürlichste, was es auf
der Welt gibt! Wer will nicht um seiner selbst willen geliebt werden? Wenn da
nicht diese alten Kindheitsängste wären- die von möglicher Ablehnung,
Verständnislosigkeit, Liebesentzug im Außen sprechen! Doch all das sind alte
und völlig überflüssige Ängste, denn wir dürfen uns aufrichten und sagen: Der
Ausdruck unserer Einzigartigkeit ist unser Geburtsrecht und von daher steht es
uns zu, unsere Würde und Selbstachtung als unser höchstes Gut zu betrachten.
Wir brauchen nichts zu tun, nichts zu sein, um ein Anrecht
auf Liebe, bzw. Wertschätzung zu haben- das erzählen uns nur diese alten
Kindheitsmuster!
Wir dürfen uns der Wahrheit wegen immer wieder vor Augen
führen, dass wir als Kinder dazu aufgerufen wurden, unsere wahre Natur
einzutauschen gegen ein künstliches Ich! In unserer Not bastelten wir uns
irgendein Bild von uns zusammen- die Vorstellung lässt mich heute noch
Gänsehaut bekommen. Im Grunde geschah da etwas sehr Tragisches, weil es halt
einen langen Rattenschwanz an Folgeerscheinungen hinter sich herzog!
„Das ist das Leiden in den Kindern,
dass sie keine Vernunftsgründe haben,
um ihrem Gefühl aufzuhelfen,
wenn es verwundet wird.
Und darum:
Wer ein Kind in seinem Gefühl verwundet,
der begeht ein Verbrechen.
Ernst von Wildenbruch
Nein, ich klage „sie“ nicht an- es geht mir nur darum,
darzulegen, was damals mit uns geschah! Wenn da zum Beispiel ein unglücklicher Vater war, der seinen Frust
durch Schläge am Kind ausließ……wie um alles in der Welt sollte dieses Kind
seine Haltung verstehen können in bezug auf sich selbst? Welches Bild seines
Selbstwertes nahm es mit in sein Leben? Wie sollte es möglich sein, dass ein
solch geprägter Erwachsener jemals vertrauensvoll sein Herz für die Liebe
öffnet?
Wollt ihr die Kinder treu behüten,
lasst eure Sorge Liebe sein,
gedeihen doch die zarten Blüten
nur in der Liebe Sonnenschein.
Heilt auch das Leben manche Wunden,
die erste schließt sich nimmermehr
und ganz wird nie das Herz gesunden,
war seine Kindheit liebeleer.
lasst eure Sorge Liebe sein,
gedeihen doch die zarten Blüten
nur in der Liebe Sonnenschein.
Heilt auch das Leben manche Wunden,
die erste schließt sich nimmermehr
und ganz wird nie das Herz gesunden,
war seine Kindheit liebeleer.
Albert Traeger
Und überhaupt? Wie wurde uns das Wesen der Liebe, die wir so
dringend brauchten, erklärt?
Was mussten wir tun, um ihre Zuwendung oder manchmal nur ein
bisschen Aufmerksamkeit zu erhalten? Diese Frage bleibt die Frage aller Fragen,
denn ihre Antwort erklärt unsere späteren Verhaltensmuster.
Es mag sich etwas überspitzt lesen, wenn ich von der
Erschaffung eines künstlichen „Ichs“ spreche und doch vermag ich die sich
daraus entwickelte Misere nicht konkreter zu deuten. Wenn wir nämlich mit
diesem „künstlichen“ Ich ins Leben gehen- in unseren Job, in unsere
Beziehungen- dann kann es doch auch dort nur „künstlich“ zugehen. Wir leben und
verkörpern etwas, was wir von Natur aus gar nicht sind und wundern uns dann über
unsere innere Unzufriedenheit, über so viel Schmerz und Leid!
Hier spreche ich aus sehr viel eigener Erfahrung und ich
weiß, was es mit einem macht, wenn man ständig an sich und seinen Wahrheiten
vorbeilebt. Es nimmt irgendwann den Atem
und man weiß nicht, wie man aus dem Dilemma der jahrelangen
Selbsttäuschung rauskommt! Es schien doch alles so wahr zu sein……..aus
Verstandessicht ja, aber nicht aus Seelensicht!
Und hier hab ich damals einen radikalen Schnitt machen
müssen, der darin bestand, mich voll und ganz auf das zu besinnen, was wirklich
in mir rief! Somit fiel auch all das Künstliche von mir ab und das Gefühl war
einfach nur befreiend, denn wir können nicht leben, was wir in der Tiefe
unserer Seins gar nicht sind und fühlen. Es ist wider unsere gottgegebene
Natur! Leben ruft nach unserem authentischen „nackten“ Sein!
Darum wage ich heute zu sagen: Finden wir uns nicht zu 100%
in dieser Authentizität wieder- ob im Beruf, in zwischenmenschlichen
Begegnungen, in Partnerschaften- dann werden wir niemals von einem erfüllten
Dasein sprechen können.
Es ist eine unumstrittene Wahrheit, die lautet:
„Leben geht immer aus unseren Absichten hervor.“
Wir dürfen uns mit Recht im Stillen fragen:
Was will ich eigentlich für ein Leben führen bis zum Ende meiner
Tage?
Ist das, was ich da lebe, ob im Job, in der Beziehung,
eigentlich mein Wunschleben in den allerschönsten Farben, im gefühlten Ausdruck
meiner selbst?
Spüre ich MICH in all
meinen Facetten- kann ich mich bedenkenlos so zeigen, wie ich wirklich bin und
fühle und werde trotz allem geliebt?
Darf ich auch meinem inneren verletzten Kind seinen Raum
schenken, den es braucht, um sich angenommen, verstanden und geliebt zu fühlen?
Diese letzte Frage –
sie hab ich in meinen Beziehungen nicht gestellt und doch ist es aus heutiger
Sicht das Wichtigste, was zählt. Wir dürfen dieses Kind nicht ausgrenzen- es
ist und bleibt ein Teil von uns. Gelingt es uns nämlich, dieses Kind in unsere
Beziehungen zu integrieren, dann vermag Beziehung das zu werden, was sie sein
will:
ein Heilraum für all unser Unerlöstes mit Aussicht darauf,
endlich zu 100% wieder wir selbst sein zu können!
Ohne Frage bedurfte es der Umstände, dass ich zweimal in
Beziehungen lebte, die von Unfruchtbarkeit sprachen, um überhaupt in die Erkenntnis
wachsen zu können, was eine fruchtbare Beziehung ausmacht. Weil ich es besser
nicht formulieren kann, bediene ich mich eines erlesenen Textes:
„Wenn zwei Menschen sich in Liebe verbinden,
dürfen sie lernen, sie selbst zu sein-
ein authentisches Wesen,
das der inneren Wahrheit folgt
und die Größe findet,
den anderen so zu lassen, wie er ist,
bzw. ihm seinen Weg der Entwicklung zuzugestehen.
Mann und Frau gehen durch Prozesse,
in denen sie miteinander verbunden sind
und doch freie Menschen bleiben
in Selbstachtung und Respekt für die Einzigartigkeit des
Anderen.“
Von unbekannt
Ich weiß, angesichts dieser ausschweifenden Darlegung kann
der Eindruck entstehen, dass es doch alles etwas übertrieben und fragwürdig
klingt- doch ich sehe Leben halt aus einer anderen Sicht, mit einer anderen
Zielsetzung und gewiss aufgrund meiner Schmerzerfahrung. Zweimal ließ ich es in
Beziehungen zu, mich total zu verlieren und das ist gewiss nicht der Sinn von
Partnerschaft und auch nicht der Sinn von Leben.
Ja, man muss in diese so andere Sicht Erfahrung für
Erfahrung hineinwachsen, für sich selbst entscheiden, was und wie man leben
möchte. Für mich ist gerade diese tiefe Sicht, verbunden mit all den
wundersamen Fügungen „Beweis“ dafür, dass uns alle Möglichkeiten geschenkt
werden, um aus unserem Leben ein großes Kunstwerk zu gestalten- nicht mehr so
dahinleben, uns leben lassen, sondern aus dem, was uns zuteil wird, etwas ganz
Besonderes kreieren.
Hab ja ein sehr starkes Gottvertrauen und bin mir sicher,
dass Gott uns alle zu jeder Zeit führt und beschützt- sich aber auch wünscht,
dass wir dieses eine Leben, das er uns schenkte, achten und ehren, so wie wir
uns selbst achten und ehren sollen.
*Linda*
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