Samstag, 25. Februar 2017

Das Glück der Begegnung mit uns selbst….







Das Glück der Begegnung mit uns selbst….


Es ist schon komisch- immer, wenn ich die Gedanken des Herrn Goethe lese, dann könnte er auch gut und gerne in der heutigen Zeit leben- denn seine Sicht von Leben scheint konform zu gehen mit dem, was ich so empfinde, wenn ich mir unsere Welt anschaue.

Von daher vermag ich seine Haltung durchaus nachzuvollziehen, wenn er für sich beschlossen hat:



„Das Beste ist eine tiefe Stille,
in der ich gegen die Welt lebe-
wachse
und das gewinne-
was sie mir mit Feuer und Schwert nicht nehmen können.“



Sein Gewinn entspricht nämlich exakt der Bereicherung, die ich so anstrebe: dieses gewisse „Etwas“, das mir niemand mehr zu nehmen vermag und das ich bis zum letzten Tage als meinen ganz persönlichen Lebensschatz bewahre und behüte.

Wie soll ich diesen Schatz beschreiben? Ich nenne ihn das zufriedene Gefühl, in mir selbst zu Hause zu sein- Tag und Nacht – in allen nur erdenklichen Lebenssituationen immer „nur“ aus diesem Heimatgefühl heraus zu agieren, ungeachtet dessen, was sich die große weite Welt so vorstellt und von mir erwartet.

„Unser Glück liegt nämlich allein in der liebevollen Beziehung zu uns selbst.“

Sehr oft spreche ich von dieser so unentbehrlichen Basis der gesunden Liebesbeziehung zu uns selbst, weil es nur durch sie möglich wird, fruchtbare  Beziehungen im Außen zu leben. Es gilt, diese Quelle im Inneren wieder zu erschließen, weil all unsere Lebensenergie nur dort zu finden ist.



„Von allen Energien der Welt kann nur eine einzige dich glücklich machen:

die Energie des Herzens.

Menschliches Glück ist kein Produkt von Wissenschaft und Technik.

Menschliches Glück hängt ab vom Lieben und Geliebtwerden

und von so vielen schönen Dingen, die gratis sind.“

Phil Bosmans


Erzählt hat es uns niemand und auch heute wird dieser Wahrheit viel zu wenig Aufmerksamkeit geschenkt, weil es scheinbar wichtiger ist, sich auf den äußeren Fortschritt zu konzentrieren, statt auf die Entdeckung unserer inneren Welt. Dabei kann es gar keine schönere Entdeckungsreise geben, als in diese Landschaft einzutauchen und zu spüren, wie sie uns mit jedem Schritt immer vertrauter wird. Wir waren nämlich in der ganz frühen Zeit hier sehr sehr heimisch, wissen intuitiv um die Schönheiten unserer eigenen kleinen Welt! Das Einzige, was fehlt, ist, uns wieder daran zu erinnern.

Ich für meine Person gehe heute sehr bewusst damit um, sage mir sogar: Ich möchte für immer berührbar bleiben, weil diese Seelenberührungen etwas Einzigartiges sind- und mit keinem Geld der Welt zu bezahlen.

Ja, ich erhielt von Gott das Geschenk der extremen Empfindsamkeit, spreche oft von den unzähligen Antennen, mit denen ich durch die Welt spaziere, mit denen ich aufnehme, was an Anderen scheinbar vorbeizieht.. Es gab Zeiten, da hab ich unter meiner Sensibilität wahnsinnig gelitten- sie schien irgendwie nicht gesellschaftsfähig  zu sein: viel zu nah am Wasser gebaut- viel zu emotional auf alles reagiert und noch schwerer verdaut!

Warum auch immer- aber da war in mir zu keiner Zeit das Bedürfnis, mich „in anders“ zu geben, davon abgesehen, dass ich es eh nicht lange durchgehalten hätte. Dieses scheinbar Andersartige wollte gelebt werden, egal, in welcher Situation ich mich befand. Und hier erinnere ich mich allzu gern an den Tag, als ich inmitten einer Gruppe erwachsener ernst dreinschauender Menschen saß- die alle sehr gefestigt schienen- nur ich wars nicht und plötzlich kamen sie: die Tränen, die ich nicht zurückhalten konnte, die aber situationsbedingt absolut nicht passten. Ich konnte nicht abschätzen, wie der Rest der Gruppe auf diesen unerwarteten Gefühlsausbruch reagieren würde….. lachend, ablehnend, verständnislos? Nein, da war nämlich plötzlich eine Ruhe im Raum, ich kanns nicht beschreiben- keiner machte irgendeine Bemerkung- stattdessen wurden mir stillschweigend Taschentücher und eine tröstende Umarmung gereicht. Da wusste ich: hier durfte ich die sein, die ich bin und ich wurde verstanden- trotz oder gerade wegen meiner Tränen?????


Ja, es ist irgendwie eine Art von Markenzeichen meinerseits, dass ich den Tränen gegenüber sehr aufgeschlossen bin- weil ich mir sage: Was raus will, das hat seinen Ursprung in einer Befindlichkeit, die aus dem tiefsten Innersten kommt. Und halte ich das zurück, dann schaffe ich eine Blockade- dann lebe ich an dem vorbei, was in dem Moment leben will!

Gut, ich habe meine Eltern bzw. mein restliches Umfeld nie weinend erlebt- durfte mich aber auch in der glücklichen Lage wissen, nie zu den Indianern  gehören zu müssen, die nicht weinten! Was mich allerdings später sehr verärgerte, waren halt die Ansprüche von Eltern, die ihren Kindern die Kostbarkeit der Tränenflusses untersagten- weil halt dieser Indianer nicht weint. Was für eine irreführende Erziehung zum harten selbstbeherrschten , sich ständig kontrollierenden Menschen! Tränen gehören zu uns wie das Lachen! Tränen sind doch etwas Wunderschönes- sie sind Seelensprache, Zeichen für Sensibilität, Ausdruck der Berührbarkeit, für den  weichen Kern in uns und der ist absolut geschlechtsneutral!

Während der Betreuungszeit dieser kleinen Wesen wäre es mir nicht möglich gewesen, den Unterschied zwischen Jungen und Mädchen an der Unterschiedlichkeit ihrer Gefühlsäußerungen festzumachen. „Alles“ war bei beiden Geschlechtern vollkommen identisch! Und doch schafft es dann der erzieherische Einfluss, dass dieses Gefühl der  Vollkommenheit Einschnitte erfährt, verbunden mit der gewachsenen Ansicht, dann selbstverständlich „nur halb“ vertreten zu sein.

Doch ein Bericht der Neuzeit lehrte mich wiederum diese eine Wahrheit- welche besagt, dass in jedem von uns sowohl das Männliche als auch das  Weibliche vorhanden ist. Wir sind vollkommen- es bedarf nur der Wiedererinnerung!

Angesichts dieser belegten Tatsache wird es einem Menschen wie mir grundsätzlich etwas übel, wenn ich mir vor Augen führe, wie sehr sie uns hinters Licht führten und dies immer noch an der Tagesordnung ist! Das, was uns eigentlich erst schön sein lässt, genau das, stampf(t)en sie in den Boden, um uns Idealbilder von Mann und Frau zu vermitteln, die mit unserer tiefen Wirklichkeit nichts zu tun haben. Da soll mir noch einer etwas von der Würde des Menschen erzählen, die über allem stehen muss! Dieses Gesetz ruft  dazu auf, dass jeder seine Einzigartigkeit ausleben darf und dazu zählt auch die Freiheit, all seinen Gefühlen Ausdruck zu verleihen! Stattdessen werden sensible Männer als Weicheier, Looser, Schwächling usw. bezeichnet und haben einen verdammt schweren Stand in dieser Gesellschaftsformation, die auf Härte und Stärke, Disziplin, Selbstdarstellung aufbaut. Man muss sich das wirklich mal vor Augen führen: das, was nicht menschlicher und schöner sein kann, wie Verletzbarkeit, Sensibilität, Berührbarkeit, Sanftheit – all das Weiche in uns- es erfährt absolute Abwertung! Und da soll der Mensch nicht krank werden? Er ist dazu aufgerufen, an seinem wahren Wesen vorbeizuleben- was für ein Kampf gegen sich selbst!

Allerdings hab ich schon immer davon abgesehen, mich dieser Kampfart auszusetzen, wäre mir aufgrund meiner hohen Sensibilität auch nicht möglich gewesen. Und es war gut so, das weiß ich heute noch mehr zu befürworten. Ich kann nicht jemand anders sein, als ich bin und werde es niemals sein können! So und nicht anders bin ich von Gott gedacht!

Von diesem Gedanken ließ ich mich leiten, als ich vor sechs Jahren wieder einmal in einem Trauerprozess steckte. Wieder hatte ich einen Menschen durch den Tod verloren. Doch es gab den einen Unterschied: In all den Abschiedssituationen zuvor hatte ich mir meine Tränen untersagt, mich zur „Stärke“ , zur Haltung aufgerufen- mit dem Ergebnis, dass ich keinen der menschlichen Verluste eigentlich jemals „richtig“ verarbeitete. Diesmal war alles anders! Diesmal gewährte ich meinen Tränen ihren freien Lauf, egal, zu welcher Zeit, egal von welcher Dauer und Intensität.

Später wurde mir klar, wie befreiend diese Haltung für meine Seele war! Diese Tränen mussten raus, um meiner Seele ihren tiefen Schmerz zuzugestehen.Dankbar bin ich auch, in dieser Zeit das Lied von Annett Müller gefunden zu haben- einer Frau, die so wie ich im Prozess der Trauer gefangen war.

Die Botschaft ihres Liedes war an ihr Umfeld gerichtet mit den Worten:



„Lasst mich weinen, wenn ich weinen will.
Lasst mich verstummen, wenn ich nicht reden will.
Lasst mich allein, wenn ich die Einsamkeit brauch.

Probiert mich zu verstehen, darum bitte ich euch!“



„Probiert mich zu verstehen“- auch ich sandte diese Bitte hinaus an mein Umfeld, weil mir bewusst war: Nur ich allein vermag zu erspüren, was ich brauche, um meine Trauer zu verarbeiten. Es gibt kein allgemein gültiges Raster, das besagt, auf welche Weise und wie lang der Mensch zu trauern hat. Der eine sucht die Ablenkung, geht in die Verdrängung – wo der andere einfach nur allein sein will mit seinem Schmerz und seinen Tränen.

Allerdings gewann ich gerade durch diese sehr individuelle Entscheidung eine weitreichende Erkenntnis: Eigentlich, so kam es mir in den Sinn- steht ALLES, was mich und mein tiefes Erleben betrifft, allein in meiner  Verantwortung. Aus Selbstachtung mir gegenüber muss ich es mir zu jeder Zeit wert sein- das zu leben, was in mir ruft, ohne mich jemals dafür rechtfertigen zu müssen.

Ja, ich glaub schon, dass dies der Beginn der Liebesbeziehung zu mir selbst war- endlich nahm ich mich wieder ernst! Man wird extrem sensibel für die eigenen Befindlichkeiten, spürt in sich hinein und erklärt irgendwann das Erfühlte zur alleinigen Wahrheit. So halte ich es bis heute- denn die Sprache meiner Seele über das Gefühl steht für mich über allem, gibt Richtung und lässt mich in mir selbst daheim sein.

Ohne Zweifel konnte es so wachsen und erblühen, weil ich Zeit meines Lebens ja erfuhr, was es heißt, mit Schmerzen an mir und meinen eigentlichen Wahrheiten vorbeizuleben! Den Zustand will man dann niemals wieder! Es geht bei Weitem nicht darum, irgendeine Art von Vollkommenheit, Perfektion anzustreben, fehlerfrei zu sein- oh nein- einfach nur „man selbst“ sein dürfen- in allen Facetten, mit allen Ecken und Kanten und mit allen Gefühlen, ob in hell oder dunkel. Das ist für mich mein „glücklich sein“. Das ist unser aller Geburtsrecht und die Würde jedes Einzelnen ruft danach, genau so angenommen zu werden!


Das größte Geschenk ist jemand,

der Ohren, Augen und Herz für uns öffnet

und uns annimmt, wie wir sind-

mit allem Unbegreiflichen, Ungereimten, Unfertigen und Verworrenem in uns.

Jochen Mariss





Auch Phil Bosmans hat es damals so gesehen, als er schrieb:


Menschliches Glück hängt nicht vom Fortschritt ab, sondern  vom Lieben und Geliebtwerden

und von so vielen schönen Dingen, die gratis sind.“


Ich denke, eine schönere Lebenswahrheit kann es nicht geben!


*Linda*

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