Leben formt unser Rückgrat
Ein Mensch wie ich, der mit Sicherheit auf einen großen
Schatz an Wegerfahrungen zurückblickt- steht heute da und sagt: Je länger ich
lebe, umso mehr bin ich der Überzeugung, dass dieses Leben ein Geheimnis für
sich ist, unerklärlich in seiner Entwicklung und dem, was es uns an Geschenken
überbringt. Ja, ich spreche durchweg nur noch von Geschenken- egal, welche
schmerzhaften Situationen ich durchlebe, auf welche Menschen ich treffe, weil
es da ein ganz stilles Erahnen gibt. ALLES, aber auch alles, dient nur dem
einen Zweck: uns wieder zurück zu führen in die Liebe zu uns selbst und damit
verbunden, in den aufrechten Gang. Es geht darum, dass wir uns unser Rückgrat
zurückerobern!
Schau ich in die Vergangenheit und durchwandre einzelne Situationen,
dann erkenne ich so eine Art von Appell des Lebens an mich. Wollte ich es in
Worte fassen, so würden sie lauten: “Na, wie sehr stehst du zu dir und dem, was
deine tiefe Wahrheit ist? Bist du fähig, trotz des Gegenwindes standhaft zu bleiben
– bei dir zu bleiben und dem, was du wirklich fühlst, dich so zu zeigen, wie du
wirklich bist?“
Wir können und brauchen uns nichts schönzureden, wenn es
darum geht, dass wir alle irgendwann in gewisse Haltungen verfielen, die uns
gemäß der frühkindlichen Erfahrung die Garantie gaben, auf diese Weise
Anerkennung, Bestätigung, das Gefühl der Dazugehörigkeit zu erlangen. Einfach
sein Fähnchen nach dem Winde drehen- JA sagen, obwohl da ein dickes Nein im
Mund ist- gefallen wollen- Dinge tun, die man eigentlich gar nicht will-
möglichen Konflikten ausweichen, um bloß die Harmonie aufrecht zu erhalten. Es
war durchweg eine Orientierung im Außen – doch es machte auf Dauer unzufrieden
und krank. Ohne Frage, es ist ein Teufelskreis, denn ich habs hautnah erlebt: man
steckt dermaßen fest drin in seinen Kindheitsmustern, die einem so vertraut
sind und spürt doch, dass sie im Widerspruch stehen zu dem, was man wirklich
fühlt und leben will. Es ist wie eine zweite festgewachsene Haut, derer man
sich nicht so einfach im Reissverschlussverfahren entledigen kann- obwohl im
Inneren alles danach ruft!
Und hier finde ich den Ansatz, wenn ich sage: Leben und
Seele wissen um dieses Dilemma und setzen alles daran, um uns aus dieser
scheinbar ausweglosen Lage herauszuführen. Das Irre, bis heute für mich
Unverständliche ist- dass jeder Mensch scheinbar zum richtigen Zeitpunkt , am
richtigen Ort die auf ihn zugeschnittene Situation erhält, um sich seiner ganz
individuellen Problemlösung zu stellen. Diese Erkenntnis hat mich irgendwann
still werden lassen, weil ich begriff: Ich werde es niemals nachvollziehen
können und gesteh dem Leben seine unergründliche Tiefe, sein Geheimnis zu. Auch
wenn ich Leben plane bis ins kleinste Detail- es wird eh so kommen, wie es
kommen soll, weil alles einer höheren Ordnung unterliegt und nach ganz eigenen
Gesetzen vor sich geht. Das, was in meinem Leben sein soll, das wird auch da
sein. Das Einzige, was ich tun kann, ist: zu vertrauen, dass ALLES, was und wie
es sich ereignet, zu meinem Wohle sein wird. Und ich erfuhr: Das Wesentliche
geschieht eh von allein- es findet mich
und nichts, was für mein Leben/ mein Seelenwachstum von tiefer Bedeutung ist,
werde ich jemals verlieren.
Ich weiß, wir können mit den Haltungen der Demut und
Dankbarkeit in unserer vom Fortschritt geprägten schnelllebigen Zeit nichts
mehr anfangen und doch sind genau das die Haltungen, die wir irgendwann
einnehmen werden. Wieder dankbar sein für die Schönheit des Augenblicks,
dankbar für all die Geschenke, die es uns ermöglichten, den Weg zu uns zurück zu
gehen.
Nein, man hat es uns so nicht übermittelt, weil es zu keiner
Zeit der Zielsetzung des Systems entsprach- ein System, das von jeher auf Fortschritt,
Leistung, Perfektion, Karriere, Profit setzte!
Irgendwo las ich mal etwas über einen Betrieb, der es sich
zum Ziel machte, das Jahr über den/ die fleißigsten Mitarbeiter/in des Monats
zu küren! Recht geschickt eingefädelt, denn so puschten sich die Mitarbeiter im Konkurrenzkampf gegenseitig
hoch.. Warum hat man stattdessen nicht gesagt: Wir küren den liebevollsten
Mitarbeiter des Monats, jenen, der das größte Herz für seine Kollegen hatte? Das nämlich hätte
keinen Gewinn für den Betrieb gebracht! Der Mensch wurde und wird in eine ganz bestimmte Spur gedrängt…….weit
weg von seinem wahren Fühlen, weg von sich selbst, denn eines geht nur: entweder ganz ich selbst sein oder
systemkonform mitlaufen.
Ganz ich selbst sein- das erfordert ein starkes Rückgrat- das verlangt den ganzen Einsatz der
Seele und es ist gewiss nicht immer leicht, sich gegen etwas auszusprechen, was
zig Andere für gut und richtig erachten. Doch genau darum geht es in dieser
Zeit- sich für sich selbst stark zu machen, Andersartigkeit, eigene Meinungen
zu riskieren – auch auf die Gefahr hin, alles zu verlieren! Obwohl- was
verlieren wir eigentlich, wenn wir das tun, was sich für uns selbst gut
anfühlt? Hat nicht jeder das Urrecht darauf, das zu leben, was er vor sich
selbst vertreten kann?
Ist es nicht sogar unser Geburtsrecht, unsere
Einzigartigkeit in allen Facetten voll zum Ausdruck zu bringen? Wer könnte es
uns verübeln?
Hier fällt mir wieder die Situation eines jungen Mannes ein,
der sich auf Anraten der Eltern für den Job bei der Bank entschied. Ohne Frage,
die finanzielle Zukunft war gesichert- die Aufstiegsmöglichkeiten auch. Doch er
bezahlte einen anderen Preis, denn
während seiner Tätigkeit musste er seine Seele zu Hause lassen. Sie kam mit den dort
herrschenden Bedingungen nicht zurecht. Der junge Mann fand sich in seinem
Tun nicht wieder und fasste den
Entschluss, sich stattdessen dem Berufsbereich zuzuwenden, der ihn im Inneren
erfüllte! Ich zollte ihm meinen ganzen Respekt, denn er tat das einzig
Richtige! Er vollzog diesen Schritt aus
Liebe zu sich selbst.
Ich hab mich oft gefragt, was ein wirkliches lebenswertes Leben
ausmacht und kam zu dem einfachen Schluss: Es muss mir „nur“ gelingen, bei
allem, was ich sage, tue und denke immer zu 100% ich selbst zu sein- dann hab
ich mich definitiv gelebt und werde nie etwas zu bereuen haben. Raus aus jeder
Rolle, aus jedem Kindheitsmuster- rein in die volle Authentizität, ganz egal,
ob da dunkle Stellen sind oder nicht.
Ich glaube, es werden sich zur Zeit so einige Menschen
fragen: „Was hat denn der Martin Schulz, was wir nicht haben, dass ihm spontan so
viel Sympathie entgegengebracht wird?“ Die Menschen auf der Straße geben Antwort,
wenn sie sagen: „Er kommt authentisch herüber“- umgesetzt heißt das nicht mehr,
als: Wir finden uns in ihm wieder- er begegnet uns auf Augenhöhe, er scheint
die Sorgen und Anliegen des kleinen Mannes zu verstehen! Aber da ist noch etwas
und ich möchte folgenden Satz einfließen lassen:
„Persönlichkeit ist das,
was übrig bleibt,
wenn man Ämter, Orden und Titel
von einer Person abzieht.“
Wolfgang Herbst
Irgendwo stand mal geschrieben: Die höchste Form von
Existenz, die wir erfahren können, ist das „nackte authentische Sein“. Der
Mensch ist als Mensch hier auf die Erde gekommen, mit dem stillen Aufruf,
diesem Menschsein seinen authentischen Ausdruck zu verleihen- somit seine ganz
eigene Persönlichkeit auszudrücken. Wie uns der Spruch von Wolfgang Herbst
verdeutlicht, sagt aber keine berufliche Rangordnung auch nur annähernd etwas
über die Farbe der Persönlichkeit aus- verrät nichts über das wahre Wesen
Mensch. Es ist schlichtweg eine erlernte Rolle, die sich an dem orientiert, was
das „Drehbuch“ vorschreibt.
Nicht ohne Grund spreche ich von der Bühne, auf die sich
Menschen Tag für Tag begeben, um ihre zugewiesenen Rollen so zu spielen, wie
das- ich sag mal- jeweilige System es von ihnen verlangt. Ob sie wirklich damit
im Inneren konform gehen, das sei dahingestellt. Dann sitzt da halt der
Versicherungsvertreter und ist bemüht, seine Kunden möglichst gut und
umfangreich abzusichern- auch wenn er vielleicht spürt, dass die Notwendigkeit
gar nicht besteht oder das nötige Geld nicht da ist. In den allermeisten Fällen
geht es doch um das Erzielen eines möglichst hohen Profits und es ist mir
durchaus klar, dass jeder Mitarbeiter lediglich nur das tut, was ihm sein Beruf
so vorschreibt- sonst ist er nämlich raus aus dem Ganzen.
Doch wie sieht es wirklich in den Menschen aus, wenn sie Tag
für Tag eine Rolle ausüben, die ihnen inhaltlich gar nicht schmeckt- nur für
ein bisschen Anerkennung und Geld? Kann man seine Persönlichkeit eigentlich auf
Dauer außen vorlassen? Nun kommt ein Martin Schulz daher, bewirbt sich für das
Amt des Bundeskanzlers und ich muss gestehen: zum ersten Mal habe ich den
Eindruck, dass dieser Mann es schaffen kann, trotz seiner Rolle als
Bundeskanzler auch noch seine Persönlichkeit mit einzubringen! Klar drück ich
ihm die Daumen für seinen Wahlkampf, weil er meiner Ansicht nach genau in diese
„neue“ Zeit – in den Anspruch von Leben passt!
Leben ruft nach unserem aufrechten Gang und einem neuen
Bewusstsein, unser Leben so zu leben, wie es für uns erfühlt richtig ist und
das in allen Lebensbereichen! Wenn da die Mutter, Hausfrau, Ehefrau fest in
ihren eingeatmeten Rollen der Leistung/ Perfektion steckt- sich nen Wolf läuft,
um den Tag mit seinen Anforderungen geregelt zu bekommen- dann ist es einfach
unerlässlich, sich hin und wieder zurück zu lehnen……mit der Frage: Wie geht es
eigentlich meiner Seele? Kann sie dem
ganzen Stress standhalten? Gestehe ich ihr auch Zeiten zu, in denen sie einfach
mal beim Nichtstun „die Beine baumeln lassen kann“? Aus eigener Erfahrung weiß
ich nur zu gut: man schafft unheimlich viel, weil man es so vorgelebt bekam-
diese ständige Perfektion der guten Mutter, Hausfrau, Ehefrau …….und
irgendwann, da fällt einem auf, wie wenig man eigentlich für sich selbst und
das eigene Wohlgefühl tat.
Dieser Leistungsgedanke- er macht auf Dauer krank und wenn
er noch nicht einmal im Privatbereich ausgeschaltet wird- wie soll denn Seele
da jemals zur Ruhe kommen? Vor allen Dingen spielt ja noch etwas mit hinein:
Zumeist wissen wir gar nicht so genau, was unsere Seele eigentlich ersehnt,
weil man uns ja seit der Kindheit „prima“ von der Möglichkeit/ Fähigkeit des
Erfühlens abschnitt! Dann macht sich zwar Unzufriedenheit breit- doch die
Ursache ist unklar, weil wir diese zarte Stimme im Inneren nicht wahrnehmen.
Es ist ein Teufelskreis, dem wir nur entkommen können, wenn
wir still werden und für uns erlauschen, was diese Stimme im Inneren sagt.
Wahrscheinlich ruft sie nach unserem „Nein“- nach dem Erkennen und Einhalten
unserer Grenzen und Möglichkeiten- nach dem, was wir wirklich FÜHLEN. „Sie“
haben uns passend gemacht für ein leistungsstarkes System – aber nicht für
unser Innenleben und den Ausdruck unserer wahren Bedürfnisse. “Sie“ ließen
schlichtweg die Liebe außen vor – die Grundessenz überhaupt für ein
lebenswertes Dasein! Ohne die Liebe ist alles nichts! Das Tragische an der
Sache ist: der sensible Mensch fühlt zwar intuitiv, dass da etwas nicht stimmt-
doch Gesellschaft ließ und lässt ihn im Glauben- mit ihm stimme etwas nicht!
Dann füllen sich die Wartezimmer der Psychologen – obwohl dort Menschen sitzen,
die eigentlich völlig gesund sind! Sie kommen nur nicht mit der grausamen Verstandes-Wahrheit
der Gesellschaft zurecht, in der kein Platz ist für die Seele, ein gesundes
Rückgrat und vor allen Dingen für die Liebe!
Ich bin froh, dass sich ein Wandel abzeichnet und der Mensch
endlich wieder Mensch sein darf im Ausdruck seiner Einzigartigkeit und mit dem
Urrecht auf Wertschätzung und bedingungsfreie Annahme. Egal, wo er herkommt,
was er ist, was er kann oder nicht kann.
Hier durfte ich eine sehr schöne Erfahrung machen.
Angesichts der Tatsache, dass ich im bürokratischen Bereich in der
Warteschlange stand, fiel mein Blick auf das Aushängeschild des Amtes. Hier
stand in schwarzen Buchstaben geschrieben: Wir begegnen jedem Menschen hier auf
Augenhöhe und schenken jedem unseren
Respekt, Toleranz und bedingungsfreies Entgegenkommen. Diesem Amt war
und ist es wichtig, Akzente zu setzen, Akzente einer „neuen“ Zeit. „Hier ist
uns der „Mensch“ willkommen!
Es geht doch im Leben nicht um ein perfektes vollkommenes
leistungsstarkes „immer gut drauf“ Erscheinungsbild-
es geht um den Mut, sich auch verletzlich, schwach, unperfekt , mit Ecken und
Kanten zu zeigen, damit wir erkennen,
dass uns so viel gar nicht voneinander trennt. Im Kern, da sind wir alle
gleich, so vollkommen und liebenswert sowieso! Was uns von uns selbst trennt,
das ist die fälschliche Annahme, dass nur das Außen uns Erfüllung schenken kann-
dabei ist die ganze Fülle doch in uns!
Dementsprechend lautet auch eine Erklärung:
„Weißt du, wer du bist?
Du bist reine Liebe, ohne dein Gestern!“
Na ja und darum macht
Leben eigentlich nicht mehr, als uns wieder und wieder mit Situationen zu konfrontieren,
die uns dieser Wahrheit näherbringen Unser „Kunstwerk Mensch“ wird nach und
nach abgeschliffen, bis unser wunderschöner Kern in Liebe erstrahlt.
Wir schlüpfen aus unseren Häuten, weil die Seele nach der
wahren Liebe ruft…..
*Linda*
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