Ich schlüpf aus meiner Krustenhaut…..
Den folgenden Text widme ich bewusst all jenen Menschen, die
während des Lesens spontan erspüren, was er aussagen möchte…..all jenen, denen
das frühkindliche Erleben keine andere Wahl ließ, als sich schon in frühen Jahren
diese Krustenhaut zuzulegen, die sich aus ihren ungeweinten Tränen zusammen
setzte……
Ich schlüpf aus meiner Krustenhaut
und spür ein zartes rosa Seidenkleid.
Jetzt- da es taut.
Leis ruf ich einen sanften Atem,
Leis ruf ich einen sanften Atem,
der meine Flügel trocknet…..
dass ich fliege…..
von unbekannt
Es gibt im Leben Situationen - da wünscht man sich im
Nachhinein, dass sie niemals eingetreten wären. Da kann noch so viel Zeit
vergehen- und trotzdem bleiben sie: erste Eindrücke, in den Raum geworfene
Worte, flüchtige, aber doch aussagekräftige Gesten……weil man in dem Moment
spürte, wie sich die Seele vor Schmerz zusammenzog.
So erging es mir in einem Vorstellungsgespräch. Scheinbar
schien meine Eignung schnell festzustehen, denn mein Gegenüber äußerte sich
recht erleichtert, endlich mal etwas Anderes vorzufinden, als das Übliche.
Dieses Übliche- so wusste es mein Gegenüber
sprachlich klar , mit entsprechendem Unterton zu benennen, waren die „mit der
kaputten Kindheit“ …….ständig im Jammermodus….
Was ging in dem Moment der Äußerung in mir vor? Ich hätte
auf die Barrikaden gehen können, so sehr schrie mein Inneres auf- denn was mein
Gesprächspartner nicht erahnte: Auch ich gehörte der Gruppe jener Menschen an,
die von dieser „kaputten Kindheit“ betroffen sind! Doch ich verkniff mir jede
Reaktion, weil ich wusste- es würde eh nichts bringen, wäre vergeudete Energie
gewesen… mir war nur klar, hier würde ich niemals heimisch werden, weil die
Basis nicht stimmte und zwei Welten aufeinanderprallten.
Jene Person wusste nicht, was sie da sagte und konnte es
nicht wissen…. weil sie den frühen Schmerz der Kinderseele nicht miterlebte.
Wir tragen zwar alle unser verletztes Kind in uns- doch es gibt eine Art von
Seeleneinschnitten, die sind dermaßen tief, dass sie unser ganzes Leben
mitbestimmen und niemals richtig verheilen. Es ist ein viel zu weites Feld, um
es hier in seiner Komplexität anzuführen- darum in kurz und knapp: Spricht das
frühe Erleben von emotionalen Defiziten oder gar von körperlichen Übergriffen,
Ablehnung- dann fehlt dem Kind die so wichtige Basis des Vertrauens für ein
stabiles Leben. Es hat mal jemand gesagt: Dann ist es, als würden dem Kind
beide Beine abgeschnitten- was zur Folge hat, dass es sich ohne diese durch
sein Leben bewegen muss. Es ist eine Form der inneren Zerbrochenheit, die man
keinem Menschen wünscht und noch weniger möchte man dulden, dass dermaßen
gefühllos, abschätzend und unwissend verurteilt wird, was niemals beurteilt
werden kann.
Wenn „die mit der kaputten Kindheit“ sich dann jenen aus der anderen Welt
gegenüber zurückhaltend verhalten, dann geschieht dies aus dem sensiblen
Erspüren und dem Selbstschutz heraus- denn was allen zerbrochenen Kindern
gleich ist, das ist ein unheimliches Gespür für Menschen und das Wissen um die
Notwendigkeit , sich vor weiteren Seelenverletzungen zu schützen. „Kaputte
Kinder“ verfügen nun mal nicht über solch ein Rückgrat, wie denn auch- wenn es
nie mitgegeben wurde und stattdessen Erniedrigung, emotionale Kälte, Abwertung
und Schmerz an der Tagesordnung waren?
Ich vergesse niemals die Bekenntnisse einer jungen Frau, die
Zuwendung durch ihren Vater so erfuhr, dass er tagtäglich den Gürtel
herausholte und draufschlug- so extrem, dass das Kind von damals irgendwann
jede Gegenwehr aufgab, in eine Art von Schockstarre verfiel und alles über sich
ergehen ließ. Mit welchem Selbstwertgefühl geht so ein Mensch ins Leben hinaus?
Was ist mit dem Kind, das statt Wärme, Zuwendung,
Geborgenheit ständig mit materiellen Gütern überschüttet wird, so lang, bis es
„wunschlos glücklich“ ist- obwohl es ganz leis fragt: “Und wann schenkt ihr mir
die Liebe und Wärme, die ich so nötig brauche?“
Es geht mir an dieser Stelle nicht um Verurteilung der
Erziehungsberechtigten- es ist mir einfach wichtig, hervorzuheben, dass kein
Mensch der Welt sich jemals sein Urteil bilden darf über einen anderen- denn
keiner ist in den Schuhen des Anderen gelaufen….keiner hat den Seelenschmerz
eines Anderen jemals gespürt.
„Bevor du mein Leben beurteilst, meine Vergangenheit oder
meinen Charakter ... solltest du in meinen Schuhen, zu Fuß den Weg gehen, den
ich gereist bin, meinen Schmerz erleben, meine Zweifel, meine Angst und mein
Lachen ... Denke daran, jeder hat eine Geschichte. Erst wenn du mein Leben
gelebt hast, kannst du mich beurteilen ...!
Von unbekannt
Sehr oft bringe ich meine Erleichterung zum Ausdruck, dass
es mir vergönnt war, wenigstens die ersten 12 Jahre meines Lebens als
glückliches Kind verbracht zu haben- weil es dadurch möglich wurde, die Basis
des Vertrauens zu erschaffen. Was danach folgte, war zwar ein radikaler
Nestfall durch den Tod meiner Mutter, verbunden mit emotionaler Entbehrung,
sehr viel Orientierungslosigkeit und zig Stürzen. Irgendwie hab ich wohl von
der stabilen frühkindlichen Zeit immer gezehrt- zumal meine Mutter mir durch ihr
menschliches Vorbild die richtigen Reisebegleiter mit auf den Weg gab. Verliere
niemals im Leben deinen Glauben an Gott, das Vertrauen, die Liebe und die
Hoffnung!
Auf meinem Weg zu mir zurück erwuchs in mir eine Erkenntnis:
Ich bin nun mal die, die ich bin und dazu gehört auch meine innere Zerbrochenheit. Diese kann und will
ich nicht verleugnen. Dass alles so kam, wie es nun mal war, daran lässt sich
nichts ändern- doch ich möchte aus dem, was mir zur Verfügung steht, dennoch das Allerbeste erschaffen, was mir
möglich ist.
Gestern las ich ein paar Sätze zur Thematik des Glücks und
da stand geschrieben:
„Die wichtigste Übung für das Glücklichsein ist -
sich selbst kennen zu lernen,
und die optimale Entfaltung der Fähigkeiten und
Möglichkeiten.“
„Leben hängt davon ab,
was du aus dem machst,
was man aus dir gemacht hat.“
Jean Paul Satre
Dieses Glücklichsein ist meiner Ansicht nach eine der
individuellsten Dinge, die es gibt und duldet keine Vergleiche. Der Mensch wird
sein Leben nur aus dem Holz schnitzen können, das ihm das Leben mitgab. Ich
brauche nicht mehr zu sein, als ich bin und genau so bin ich richtig.
Ohne Frage, Menschen, die eine innere Zerbrochenheit in sich
tragen, sind irgendwie „anders“ und es gab in meinem Leben eine überraschende Beobachtung.
Es scheint, als würden sich die
zerbrochenen kindlichen Seelen auf wundersame Weise gegenseitig erspüren. Warum
es so ist, ich weiß es bis heute nicht.
Es gibt höchstens die eine Erklärung:
„Jeder Mensch erkennt sich im Anderen selbst“
Meiner Erfahrung nach erspürt sich die Seele in der anderen
Seele- und nimmt über ganz feine Antennen auch den inneren frühkindlichen
Schmerz des Anderen wahr- mit der stillen Freude des Erkennens: Spürst du auch
den Schmerz in dir, den ich einst erlitt? Da ist eine innere Verbundenheit, die
man nicht mit dem Verstand erklären kann. Es ist, als würde gerade der Zustand
der inneren Zerbrochenheit spontan
zusammenschweißen, weil man in der Lage ist, zu verstehen, was niemand sonst
verstehen kann.
Ich glaube auch, dass meine Entscheidung, mich „nur“ als
Seele auf Reisen zu sehen, nicht unbegründet ist. So kann es mir gelingen, mich
auf das Wesentliche zu konzentrieren- auf das intensive Erspüren und Verlangen
der Seele, die trotz aller Verletzungen und Narben bestrebt ist, sich als
vollkommene Liebe zu erfahren. Sie wartet geduldig darauf, dass es irgendwann
„taut“- dass es möglich wird, sich der harten Krustenhäute zu entledigen, die
aus vielen ungeweinten Tränen entstanden. Seele will in ein leichtes unbeschwertes
Leben fliegen…..und sie wird diese Hoffnung nicht aufgeben, weil sie immer
schon wusste, dass der Kern, tief in uns drinnen, voller Liebe und Licht ist
und dass in jedem von uns der Wunsch ist, einfach nur lieben zu dürfen und
geliebt zu werden um unser selbst willen. Das wissen auch wir- ganz leis ist
da das unbewusste Erahnen der frühen
Zeit, dass wir vollkommen sind……….
*Linda*
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