Sonntag, 16. Oktober 2016

Das Leben, das ich selbst gewählt









Das Leben, das ich selbst gewählt

Ehe ich in dieses Erdenleben kam,
ward mir gezeigt, wie ich es leben würde.
Da war die Kümmernis, da war der Gram.
Da war das Elend und die Leidensbürde.
Da war das Laster, das mich packen sollte,
da war der Irrtum, der gefangen nahm.
Da war der schnelle Zorn, der in mir grollte.
Da waren Hass und Hochmut, Stolz und Scham
Doch da waren auch die Freuden jener Tage,
die voller Licht und schöner Träume sind-
wo Klage nicht mehr ist und nicht mehr Plage
und überall der Quell der Gaben rinnt-
wo Liebe dem, der noch im Erdenkleid gebunden
die Seligkeit des Losgelösten schenkt
Wo sich der Mensch der Menschenpein entwunden,
als Auserwählter hoher Geister denkt
Mir ward gezeigt das Schlechte und das Gute.
Mir ward gezeigt die Fülle meiner Mängel.
Mir ward gezeigt die Wunde daraus ich blute.
Mir ward gezeigt die Helfertat der Engel.

Und als ich so mein künftiges Leben schaute
da hört ein Wesen ich die Frag tun,
ob ich dies zu leben mich getraute,
denn der Entscheidungs Stunde schlüge nun
Und ich ermaß noch einmal alles Schlimme.

“Dies ist das Leben, das ich leben will” –
gab ich zur Antwort mit entschlossener Stimme

So war’s, als ich ins neue Leben trat
und nahm auf mich mein neues Schicksal still.
So ward ich geboren in diese Welt
Ich klage nicht, wenn’s oft mir nicht gefällt
Denn ungeboren habe ich es ja bejaht.
Hermann Hesse



Entsprechend meiner Neigung bin ich stets dankbar, wenn ich neue Gedankenimpulse erhalte- vor allen Dingen dann, wenn ich sie zunächst mit einem großen Fragezeichen versehe. So geschehen, als mir das Gedicht von Hermann Hesse begegnete.


Er führte mich in eine neue Dimension des Möglichen, indem er davon sprach, sein Leben im Vorfeld selbst gewählt zu haben- sprich- noch vor seiner Inkarnation gewusst zu haben, was denn da auf ihn zukommen würde. Seine Wahrheit überschnitt sich damals nicht in allem mit der meinen- auch wenn ich der Ansicht war und bin, dass dieses eine Leben nur ein Teil des großen Ganzen ist  und dass auf uns nach dem Tod eine andere Form von Leben wartet. Wieder ist es alles nur meins- durch nichts zu beweisen- höchstens zu erahnen.

Allerdings leb ich mit dieser Ahnung recht gut, weil sie auch irgendwie etwas Tröstliches in sich trägt und mich verstehen lässt, dass ich eh nie alles verstehen werde. Es gibt für mich eine Wirklichkeit hinter der sichtbaren Wirklichkeit und weil es so ist, lass ich natürlich auch die Gedanken von Hermann Hesse bewusst auf mich und meine Vorstellungskraft wirken.


Spontan ging ich in diese Situation hinein, die er beschrieb und stellte mir vor- auch ich hätte vor meinem „Eintritt“ erfahren, was denn da für ein Leben auf mich zukommt! All die Höhen- vor allen Dingen diese Tiefen durfte ich im Vorfeld sehen- all den Schmerz, die Enttäuschungen, Entbehrungen- ausweglose Zeiten, diese Abgründe…..denn es war ja definitiv kein beschwerdefreies  Leben auf Wolke sieben oder in Zuckerwatte gepackt für mich vorgesehen! Und dennoch hielt ich es wie Hermann Hesse und sagte trotzdem mein JA zu diesem Achterbahndasein!





Nun kam mir damals spontan der Gedanke: Nie und nimmer hätte ich doch so einem leiddurchzogenen Leben zugestimmt- wenn es da nicht zu dem  Schmerzpol etwas absolut Gegensätzliches gegeben hätte! Wahrscheinlich erahnte ich das natürliche Gesetz der Polarität. Gut, ich würde viel Schmerz erfahren- doch wahrscheinlich machte mir das im Nachhinein gar nichts mehr aus- weil mich halt diese- ich sag jetzt mal „Belohnung“ fürs Durchhalten und JA sagen“ absolut für jede Stunde des Leidens entschädigen würde!
Nun spring ich mal etwas aus diesem Gedankengut heraus und führe einen Ausspruch von Arthur Schopenhauer an- der da lautet:


„Die ersten vierzig Jahre des Lebens liefern den Text, die folgenden dreißig den Kommentar dazu.“


Hinzu gesellen sich die Worte von Dr. Wayne Dyer, der uns voraussagt, dass wir spätestens am Nachmittag des Lebens erkennen , dass wir das, was wir am Morgen und Vormittag an Wahrheiten lebten- im weiteren Lebensverlauf ablegen werden, weils einfach nicht mehr für uns stimmt!

Nicht ohne Grund fügte ich diese fremden Ansichten ein- denn ich für meinen Teil brauche dererlei Anregungen- einfach als Bestätigung für meine persönlichen Erfahrungen. Auch ich spreche heute davon, dass das, was wir in frühen Jahren so widerspruchslos von „ihnen“ annahmen und für wahr erklärten- irgendwann nicht mehr zu passen scheint. Es hakt an allen Ecken und Enden- zig Fragezeichen machen sich breit- sobald man sich auf den Weg macht, sein ganz individuelles Leben zu leben- ein Leben, das auf die persönlichen Seelenbedürfnisse zugeschnitten ist! Daher ist es nicht verwunderlich, wenn einem dann ein fluchartiges „Etwas“  entfährt: „Was haben sie mir eigentlich da für einen Mist erzählt- über das Leben, über mich, über die Liebe? Das stimmt ja  hinten und vorne nicht!“





Was machen wir dann? Wir entledigen uns endlich dieser ausgelatschten alten Schuhe, um sie gegen die wesentlich leichteren Sandalen der Sehnsucht einzutauschen.
Und dann erkennen wir, immer noch gefrustet, dass genau diese übermittelten „Wahrheiten“ es waren, die den ganzen Schmerz verursachten- denn wenn man an der persönlichen Wahrheit, sprich- an seinem wahren Wesen vorbeilebt- dann muss es ja weh tun!

Doch scheinbar erhält ein jeder im Leben genau diesen Erfahrungsschatz- auch ein Herr Hesse musste wohl aufgrund seiner Leidbeschreibung durch diese Polarität wandern, ebenso der Herr Schopenhauer, weil er bekannte:


„Das Leben ist ein Pensum zum Abarbeiten“


Aber! Es wird nicht das ganze Leben ein Abarbeiten sein- denn so hab ich es zum Glück erfahren dürfen! IRGENDWANN- da ist es vorbei mit dem Schmerz- dann sind die individuell zu lösenden Aufgaben erledigt und man findet sich dort wieder, wo man vom Ankommen spricht: vom Ankommen in sich selbst und in der Liebe!


Nach all den Irrwegen, Umwegen, Sackgassen, Wüstenzeiten, Bergkraxeleien lockt endlich das ersehnte Ziel, das mit Sicherheit für alle Wegstrapazen höchste Entschädigung darstellt. Vor allen Dingen wird uns irgendwann bewusst: Ohne all den Schmerz würde unser Lebensbaum niemals über die nötigen Wurzeln verfügen, die es für einen festen Stand im Leben braucht, ganz zu schweigen von der Krone, die sich gen Himmel ausstrecken möchte!

Ja, es reimt sich alles irgendwie zusammen, wenn ich jetzt noch einmal die Worte der Erkenntnis von Hermann Hesse anführe, der die Schönheit seines Daseins so beschrieb:


Doch da waren auch die Freuden jener Tage,
die voller Licht und schöner Träume sind-
wo Klage nicht mehr ist und nicht mehr Plage
und überall der Quell der Gaben rinnt-
wo Liebe dem, der noch im Erdenkleid gebunden
die Seligkeit des Losgelösten schenkt

 Hermann Hesse

Hermann Hesse spricht von dem Zustand des Losgelöstseins- für mich ist es die Rückkehr in unser wahres Wesen, verbunden mit dem Gefühl der neuen Freiheit, endlich unsere Flügel wieder zurück zu erhalten, die man uns in frühen Jahren absprach!

Da ich ja relativ vertraut mit meiner Seele bin, erahnte ich irgendwann, was denn so ihre Grundbedürfnisse sind. Blühen möchte sie, wie verrückt- in den Farben, in der Duftnote, die sie von Gott geschenkt bekam UND dann ist da eine immense Vorfreude- irgendwann wieder in grenzenloser Freiheit fliegen zu dürfen! Ach ja, und sie möchte spüren, wie es sich anfühlt, ebenso grenzenlos und frei zu lieben! Es ist nur zu verständlich, dass der Mensch, um ihr diese Wünsche zu erfüllen- leicht sein muss- befreit von all dem unnötigen Ballast der frühen Zeit!  Befreit von uralten erlernten Ängsten und Glaubenssätzen- befreit von völlig falschen Lebensbildern, die mit unseren tiefen menschlichen Bedürfnissen rein gar nichts zu tun haben!
Rumi, der die Liebe zum Fokus erklärte, drückte es folgendermaßen aus:

„Um in den Rosengarten eintreten zu können, müssen wir die Dornen umarmt haben!“

Als ich diesen Hinweis damals las, da wurde  mir  bewusst- dass dieses Leben, welches wir so rasch aufgrund der Schwere verurteilen - eigentlich „nur“ dafür sorgt, dass diese unerlässlichen „Umarmungen“  erst möglich werden! Jeder Schmerz bietet eine willkommene Gelegenheit, um  uns unserem Unerlösten zuzuwenden, um es letztendlich zu er-lösen! 





Stellen wir uns doch mal vor- wir wären voll des Wunsches, in Nullkommanix in Richtung Wolke Sieben zu fliegen– während wir noch diese schweren Gepäckstücke der Altlasten auf dem Rücken tragen! Na ja, ich glaub, das würde so recht nichts werden mit dem Fliegen!
Von daher agieren Leben und Seele sehr weise , bzw. vorausschauend und ermöglichen uns viele viele Vor- Erfahrungen, damit wir Schritt für Schritt in diese wichtige Flugfähigkeit hineinwachsen.

Ich glaube, es ist nachzuvollziehen, warum ich mittlerweile so gern lebe und nicht mehr vom Kampf mit dem Leben spreche- sondern eher von meiner persönlichen Abenteuerreise in ein Land, in eine Wirklichkeit, deren grenzenlose Schönheit ich bis jetzt nur erahnen kann.

Dazu las ich mal etwas ganz Berührendes:

„Hinter allem, was wir uns denken oder vorstellen können,
gibt es einen Hintergrund,
der sich unserem Verstand entzieht……
doch er ist wärmende Decke für jede frierende Seele!“

Ich denke, wir werden Zeit unseres Lebens immer Suchende bleiben, weil diese tiefe Sehnsucht in uns niemals endet- eine Sehnsucht nach diesem gewissen Etwas, was nicht von dieser Welt ist.

Auch Rumi bezeichnete sich als den Suchenden – doch kein noch so gutes Fachbuch vermochte ihm weiter zu helfen- das konnte nur die Stimme seiner Seele!


Ich war ein Suchender und bin es noch immer, aber ich habe aufgehört, Bücher zu fragen und die Sterne.
Ich begann der Lehre meiner Seele zuzuhören.


Rumi

Ich liebe seine Sprüche- darum gibt’s ein paar mehr:


Die Seele der Seele des Universums ist die Liebe.

Rumi



 „Liebe braucht keinen Grund, Liebe ist der Grund.“
Rumi

Liebende öffnen die Augen und sehen das Unsichtbare
Rumi


Ich weiß, du bist müde, aber komm!
So ist der Weg.

Rumi


Die Liebe findet ihren Weg durch alle Sprachen.

Rumi

Sei verrückt nach Liebe… denn Liebe ist alles, was es gibt.

Rumi




Ich glaube, diese  Lebenswahrheit kann wahrer nicht sein:

„Liebe ist alles, was es gibt!“



©*Linda*

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