Donnerstag, 1. September 2016

Wer bin ich wirklich?

Wer bin ich wirklich?

 






Hinsichtlich meiner Freude an der Thematik „Leben & Co“ erinnerte ich mich neulich an eine kleine Geschichte, deren Inhalt ich aber nur sinngemäß wiedergeben kann.

Wer bist du?

Eine Frau erhielt im Traum  den Besuch eines Wesens (ich glaube, es war ein Engel?), welches die Frage an sie richtete: „Wer bist du?“

„Oh“, entgegnete die Frau freudig - „Ich bin eine gute Mutter, eine ebenso treue Ehefrau, pflichtbewusste Hausfrau  und eine stolze Oma bin ich auch schon!“

Das Traumwesen schüttelte den Kopf und sprach:

„Ich will nicht wissen, WAS du bist- mich interessiert, WER du bist!“

Die Frau überlegte einen kurzen Moment- dann fiel es ihr ein:

„Ach ja, ich bin auch eine gute Christin und eine verantwortungsvolle Lehrerin bin ich auch!“

Doch das Traumwesen schien mit den Antworten immer noch nicht zufrieden zu sein, denn es stellte der Frau zum dritten Male die Frage:

„Wer bist du?“

Da erwachte die Frau aus ihrem Traum……..mit der einen Frage:

„Wer bin ich eigentlich wirklich?“

Die Hartnäckigkeit dieses Traumwesens war schon groß- es wollte sich einfach  nicht mit den doch  so plausiblen Erklärungen zufrieden geben. Liegt denn nun so ein großer Unterschied darin, WER oder WAS der Mensch ist? Ist es nicht das Gleiche? Auch ich hab damals etwas länger über den Sinn dieser Geschichte nachgedacht, denn hätte mich das Engelwesen besucht- meine Antworten wären ähnlich ausgefallen. Schließlich waren es doch recht anspruchsvolle und wertvolle Aufgaben, denen man sich im Leben stellte- warum also schien es für die Traumgestalt eher zweitrangig zu sein?

Zum besseren Verständnis führe ich mir eine Situation vor Augen, die rein von meiner persönlichen Lebenshaltung für mich zum Leben dazugehört: die Phase, in der wir von dieser Welt Abschied nehmen. Wie schon einmal angeführt, gibt es da absolut realistische  Bekenntnisse von Menschen in der Sterbephase, basierend auf dem Gedanken: “Was ich am meisten bereue- wenn ich mein Leben Revue passieren lasse!“

Ich gehe mal nicht davon aus, dass  sich Menschen in der Situation   noch irgendetwas schönreden- da kommt die  Wahrheit ans Tageslicht.

Und dann ist es wirklich so, dass da eine 80-jährige Frau liegt und zu sich sagt:

“Ja, war im Großen und Ganzen ein schönes, wenn auch leidvolles  Leben mit meinem Erwin. Durch dick und dünn sind wir zusammen gegangen- bin ihm immer treu geblieben. Ach und was war ich stolz auf unsere fünf Kinder! Sind alle was geworden!

ABER!!! 

Irgendwie, wenn ich ganz ehrlich sein soll-  hab ich mich nie richtig getraut, das!! Leben zu führen, das ich eigentlich leben wollte. Hab viel zu viel geschluckt, nie so richtig gesagt, was ich wirklich fühle und wünsche, um meinen Erwin nicht zu verärgern. Na ja ,wie das so ist-  um des lieben Friedens willen. Doch ob das so richtig war? Ich glaube nicht!“

Ich denke, der folgende Text spricht eine noch  klarere Sprache:


Die Australierin Bronnie Ware hat während acht Jahren als Palliativpflegerin in Surrey im Südosten Englands gearbeitet. Hier hat sie Sterbende in den letzten Wochen ihres Lebens begleitet. Während der zahlreichen und ausführlichen Gespräche wurde Bronnie Ware Zeugin, was Menschen im allerletzten Lebensabschnitt bewegt.



1. «Ich wünschte, ich hätte den Mut gehabt, mein eigenes Leben zu leben»

2. «Ich wünschte, ich hätte nicht so viel gearbeitet»

3. «Ich wünschte, ich hätte den Mut gehabt, meine Gefühle auszudrücken»


4. «Ich wünschte, ich wäre mit meinen Freunden in Kontakt geblieben»

5. «Ich wünschte, ich hätte mir erlaubt, glücklicher zu sein»



So können wir froh sein, diese Impulse zu erhalten. Was wir letztlich daraus machen, liegt in unserer Hand.

Verfasser unbekannt


Ich für meine Person war damals froh, diesen Einblick quasi als Orientierung zu erhalten, denn manchmal tut es einfach gut, zu wissen, dass man jetzt endlich auf dem richtigen Weg ist- nach so viel Vorbeileben!




Nach wie vor steht die Frage im Raum:

Was ist nun der Unterschied zwischen:

„WER“ ich bin und „WAS“ ich bin?


Ich begründe mal in kurz und knapp:

WER ich bin- das sagt mir die Seele.

WAS ich bin- das erzählt mir der Verstand!


Unsere Frau mit dem Traum, „war auch sehr viel“: Mutter, Christin, Oma, Lehrerin, Ehefrau, Hausfrau. Ich fasse all dies mal als eine Rollenausübung zusammen, auch wenn es sich etwas suspekt liest- doch anders vermag ich es nicht zu definieren. Jeder von uns schlüpft schon in der frühen Kindheit in bestimmte Rollen, wobei es ja zu meinem Leidwesen und aus eigener Erfahrung  solche Rollen sind- die sich nach den Vorstellungen des Umfeldes richten.

 „Wie hättet ihr mich gern- was muss ich tun- wie muss ich sein- damit ich eure Liebe und Aufmerksamkeit erhalte?“

 Diese Rollen werden uns dermaßen zur Gewohnheit- bis wir sie vollständig verinnerlichen und der Ansicht sind: das ist meine Identität. Dabei ist es nur eine Rolle,  aus  der Not der Abhängigkeit heraus- Erlerntes!!!!!

Erinnere ich mich an den negativen erzieherischen Einfluss, dann ergab sich doch wie von allein  der Zwang- sich  in der Schule, im kirchlichen Bereich und dem sonstigen Umfeld der Zielsetzung des jeweiligen Systems   anzupassen – wollten wir nicht Liebesentzug riskieren. ICH SELBST aber kam da als individuelles Menschlein nicht zur Geltung. Und das lernten wir zu 200%- leider sehr exakt!

Wir wurden geradezu dahingetrieben, uns dem unterzuordnen, was das System von uns verlangte- dann waren wir richtig, dann erhielten wir unser Maß an Anerkennung! Doch wer war schon er selbst?  Wieder stellt sich hier keine Schuldfrage, denn wir sind definitiv in frühester Kindheit von unserer inneren Erlebniswelt abgeschnitten worden- von unserem eigenen Wesen !!!! und es kam noch schlimmer- weil wir irgendwann der Ansicht waren- so was wie unser Inneres existiert gar nicht!
Grob ausgedrückt: Mich als den fühlenden, verletzlichen, schwachen Menschen, so wie ich von Gott geschaffen wurde, den gab es  nicht, den hatte man mir untersagt!

So vermochte auch ich in meinem Leben gewiss sehr oft zu sagen, WAS ich bin(als Mutter, im Beruf, in der Ehe) - doch WER sich in der Tiefe wirklich dahinter verbarg- dieses authentische SEIN, das spürte ich nicht. Ich war mir ja selbst nicht nah! Ich hatte  auch gar nicht gelernt, in meinen persönlichen Schuhen alleine zu laufen. Ich war stattdessen in der „Einheitsschuhgröße“ unterwegs, die alle trugen und erfüllte meine Aufgaben so, wie „man“ es halt macht und wie es mich gelehrt wurde. Leider auch oft mit dieser einschnürenden Fessel der Perfektion- ganz schlimm!


So passt auch der Songtext von Max Giesinger wunderbar hierher, denn er  „besingt eine Frau“, die gewiss alles für ihre Kinder tut- ihren stressigen Alltag tatkräftig bewältigt…..doch in ganz stillen Momenten spürt: IN MIR, da gibt es noch ein anderes Leben. Da ist der Ruf nach Freiheit, Leichtigkeit, Fröhlichkeit, Grenzenlosigkeit. Und wenn sie dann tanzt - tanzt und träumt sie sich fort in dieses andere Leben- ein Leben, das WIRKLICH zu IHR gehört. Dann würde sie sagen können, WER sie wirklich ist- außerhalb ihrer erlernten Rollen als Mutter, Hausfrau, Berufstätige.

Da ich  gesellschaftlichen Entwicklungen gegenüber sehr aufgeschlossen bin, höre ich sehr gut hin, wenn sich mir mal wieder ein konkretes Beispiel zeigt. Leider wird einem zu selten der Blick hinter die gesellschaftliche Kulisse gewährt. Auch wenn ich es bereits anführte- es ist für mich so  bezeichnend, wenn diese Dame aus dem horizontalen Dienstleistungsgewerbe anführt, dass viele Männer nur zu ihr kommen, um einfach mal ihre Sorgen, Ängste, Traurigkeiten  zu äußern- um schlichtweg einfach mal jemanden zu haben, der ihnen wirklich zuhört und sie versteht!
Angesichts meiner vorherigen Ausführungen passt es- denn da ich auf eher gutsituierte Kunden tippe, steigen sie in den anonymen Gesprächssituationen  aus ihrer stressigen beruflichen Führungsrolle aus und genießen es, einfach nur der Mensch zu sein, der sie sind- auch in schwach, verletzlich, fragend und unwissend.

Auch hier wird wieder klar: Sind diese Männer beruflich eingespannt, dann erzählt ihr Erscheinungsbild „auf der Bühne“ “Was“ sie sind- während der Abend aufzeigt, „WER“ sie wirklich sind! Nur- die Tragik für mich ist die, dass   der Mensch -will er sich als Mensch fühlen, irgendwohin in die dunkelste anonymste Ecke kriechen muss- dorthin ,wo nicht die Gefahr besteht, dass sein gewohntes Umfeld ihn durchschaut?

Ja, ich sage nicht ohne Grund: In welcher Welt leben wir? Entschuldigung, ich bin Mensch- Entschuldigung- ich habe Gefühle, bin verletzlich und stoße manchmal an meine persönlichen  Grenzen???????????

Es ist so widersprüchlich! Da ruft die tiefste Sehnsucht ALLER Menschen nach einem friedlichen wertschätzenden Miteinander- nach Verständnis, Eingebundensein- Lebensfreude, Lachen, Liebe – einem Ort, der das Gefühl der Heimat schenkt- aber kaum ein Mensch spricht offen darüber, als wäre es das entfernteste Verlangen der Welt! Wir können doch gar nicht ohne Liebe existieren! Wir sind doch keine Maschinen!

Wenn ich dann noch bedenke, dass es dieser Perfektions- und Leistungswahn (kommt nicht von mir)  mittlerweile mit steigender Tendenz bis ins Privatleben geschafft hat - dann sag ich mir wirklich: Ich lebe zwar IN dieser Welt- aber hier gehöre ich unter den Umständen gewiss nicht hin! Da finde ich mich ganz und gar nicht wieder! Was soll denn der Hamsterradlauf im Privatbereich oder, wie es im Fernsehen so „schön“ benannt wurde: die Selbstoptimierung! Hab mich mit Sicherheit früher auch „selbst optimiert“ und warum? Weil ich es so lernte- es wurde mir im Elternhaus als die! Lebenshaltung vorgelebt - so hab ich es übernommen und für wahr erklärt! Bis dann das Erwachen kam, verbunden mit der Erkenntnis- ich bin auch mit 60% immer noch „richtig“ und Leben ist wesentlich angenehmer, wenn der Druckpegel sinkt! Ich denke heute anders, denn es ist mir egal, was  der Rest der Welt so tut und für richtig hält- was mir die Medien z. B. über meinen Frauenwert oder  „meine“ Wunschvorstellungen erzählen-  denn nur ich kann doch ermessen, was für mich gut und erstrebenswert ist! Und ich glaube, ich bin  der fast einzige Mensch, der seit Jahren immer noch mit ein und demselben Handy durch die Weltgeschichte läuft. Mir fehlt aber  nichts! Und darauf kommt es an. Ich bin halt ich!

Ich weiß noch- ich saß vor Jahren mittendrin in einer größeren Gruppe Erwachsener , war nicht gut drauf und wie das so bei mir ist, laufen dann spontan meine Tränen. Da könnte ich mich fünfmal zur Seite nehmen und sagen: “Nun nimm dich mal zusammen- du bist doch schon „groß“….das hilft nicht- dann wird’s noch schlimmer! Klar, man fühlt sich nicht unbedingt wohl, wenn um einen herum 15 äußerst gefasste Menschen sitzen- doch das bin halt ich und genau das gehört zu mir! Aber es gab auch eine schöne Erfahrung und das war dieses Taschentuch, das mir mein Gegenüber wortlos und unaufgefordert herüberreichte!

„Ich bin ich“ und anders gibt’s mich nicht mehr- diesen Vorsatz hab ich auf Felsen gebaut, weil er mir eine völlig andere Lebensqualität beschert. Doch dazu bedurfte es einer gewissen Haltungsänderung:

Ich schickte alle Antworten seit der Kindheit fort und suchte meine eigenen, die mit Sinn für mich! Seit ich nämlich diesen Fluch ausstieß angesichts meines verflossenen Lebens, gings nur noch bergauf- weil ich begriff: Nur ich schreibe an dem Roman meines Lebens. Ich trage allein die Verantwortung! Und ich denke- es geht in erster Linie um eines: endlich diese total verkorksten Glaubenssätze, Überzeugungen, die oft geringe Meinung von uns selbst loszuwerden- es ist doch alles nur erlernt, übernommen! Das haben andere sich ausgedacht!  Es hat mit unserem wahren tiefen Wesen und mit Leben rein gar nichts zu tun.

Wer bin ich wirklich? Wonach sehne ich mich in der Tiefe? Diese Antworten kann jeder nur für sich allein in der Stille finden, dann, wenn der Verstand schweigt und die Seele zu erzählen beginnt.

©*Linda*


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