„Die Sandalen der Sehnsucht“
Berührt durch das Gedicht „Sandalen der Sehnsucht“ wurde ich
gedanklich zurückgeführt in Lebensphase,
die alles war- aber nicht das, was ich mir eigentlich unter einem erfüllten
Dasein vorstellte.
Wenn man dann so wie ich in der Stille intensiv lauscht, kann es sein, dass sich da eine leise Stimme
meldet, die einen letztendlich dazu bewegt, neue Wege zu gehen- in diesen
„Sandalen der Sehnsucht“….…….
So musste auch ich mir eingestehen, dass das „alte Schuhwerk“ aus Kindertagen
mittlerweile viel zu eng geworden war, immens an vielen Stellen drückte, bis ich es vor Schmerzen nicht mehr
aushielt!
So tat ich diesen stillen Ruf: „Ich will weder weiter in
diesen unbequemen schweren Schuhen laufen- noch will ich das Leben so weiter
führen wie gehabt! Beides passt überhaupt nicht zu dem Menschen, der ich
wirklich bin! Ich lebe da etwas, was ich vor mir selbst gar nicht verantworten
kann!“
Nicht unbegründet hab ich mich mit dem auseinander gesetzt,
was da in der frühen Zeit geschah. Immer und immer wieder wurde mir in
zwischenmenschlichen Begegnungen bewusst, dass das einst „eingeatmete“ Bild von
mir- von Leben- von Liebe– uns bis ins Erwachsenenalter begleitet. Erst war es nur eine Rolle- dann
wurden wir dermaßen vertraut mit ihr, dass sie uns veranlasste, zu glauben- das
sei unsere wahre Identität! Wir müssen nur mal zurückschauen, WAS wir taten,
WIE wir sein mussten, um „ihre“ Liebe, Aufmerksamkeit, Lob oder Bestätigung zu
erhalten.
Ich lasse mal das Kind
von einst sprechen:
Wie hättet ihr mich denn gern?
..in perfekt- diszipliniert- verantwortungsvoll-
leistungsstark- zurückhaltend- fürsorglich- kritiklos-„JA“- sagend- lieb- nett-
gehorsam, angepasst oder muss ich sogar erst auf mich aufmerksam machen, damit
ihr mich überhaupt wahrnehmt? Vielleicht gefällt es euch auch, wenn ich der
„Indianer“ bin, der keinen Schmerz kennt…..und seine Angst, Traurigkeit,
Sensibilität unterdrückt??????
Schau ich mich heute um, ist eine!! erlernte Lektion für mich
extrem mit Tragik verbunden.
„Liebe bekomme ich nicht umsonst- sie ist an Bedingungen
geknüpft!“
Dieses erlernte Bild von „Liebe“ hat es geschafft, negativen
Einfluss auf die Qualität unserer Beziehungen zu nehmen, zudem das wahre Wesen
der Liebe zu verschleiern- denn wahre Liebe hat mit Bedingungen rein gar nichts
zu tun. Wahre Liebe will frei sein, ohne jeden Anspruch – ohne Bedürfnis-
wertet nicht und nimmt ihren Anfang in uns selbst, denn wir sind Liebe- das ist
unsere Natur. Ach, man hat uns so vieles nicht erzählt…..und was man uns
beibrachte, ist meiner heutigen Ansicht nach nicht das, was uns ein erfülltes
Dasein auf ewig beschert. Leben ist so viel mehr- wenn wir bereit sind, uns auf
seine Führung ohne Wenn und Aber einzulassen.
Irgendwann, da verglich ich es mit einem Fluss- absolut
unberechenbar in seinem Verlauf, seinen Windungen. Leben wünscht sich allerdings von uns
eine ganz bestimmte Haltung: bedingungsloses Vertrauen- kein Klammern am
Ufer oder Pochen auf Sicherheit oder Routine. Stattdessen ist Hingabe
erwünscht, verbunden mit der Gewissheit,
dass alles, wie es geschieht, immer zu unserem Wohle sein wird- wenn wir Leben
agieren lassen! Dann nämlich wird es uns eines Tages aufzeigen, worin seine Schönheit wirklich besteht!
Wir sind nicht „Leistung“- „Perfektion“-„Anpassung“ usw. und
wir sind auch nicht der Indianer, der keinen Schmerz kennt! Wir sind sensible
einzigartige Menschen mit einer wunderschönen Gefühlsvielfalt und grenzenloser
Liebesfähigkeit in uns- mit dem Recht, uns so zu leben und auszudrücken, wie
wir es ERFÜHLEN! Zudem sind wir aufgefordert
zu erkennen, dass die wahre Liebe
niemals irgendwelche Forderungen stellen wird und jeden so annimmt, wie er ist,
ohne erst etwas sein oder haben zu müssen.
Doch es ist wichtig, dass wir bereit sind, uns selbst wieder
„in Liebe“ anzunehmen- in unserer Schwäche und Stärke- mit unseren Begrenzungen
und Möglichkeiten- mit unseren Gefühlen, ob in hell oder dunkel- mit all dem
Ungeliebten in uns! Denn diese Sehnsucht ist in uns- sie kommt nicht von
ungefähr und sie wird auch niemals wieder gehen!
„Sie“ ruft nämlich, mehr oder minder hörbar:
„Ich will wieder die/ der sein- der/ die ich bin- bevor mir
alle Welt erzählte, wer ich zu sein habe!“
Darum geht es in
dieser Zeit- um die Rückkehr in unser authentisches Wesen, um die Erinnerung,
dass wir nichts als Liebe sind und so vollkommen in uns selbst!
Auch wenn wir es oft nicht glauben- doch diese Vollkommenheit
besteht auch darin, dass wir nicht „halb“ und unvollständig sind, denn jeder
trägt sowohl männliche als auch weibliche Anteile in sich.
Ich denke da an den
Song von Herbert Grönemeyer, der fragt:
„Wann ist der Mann ein Mann?“
Er nennt entsprechende Attribute, die aufzeigen, dass der
Mann nicht nur dieses „bekannte“ rein Männliche verkörpert, sondern auch
Verletzlichkeit, Weichheit, Sensibilität- all das, was eigentlich „nur“ den
Frauen zugedacht wird. Doch so sieht Herbert Grönemeyer es nicht und diese
Erkenntnis erfreut insbesondere mich- denn wie oft hab ich mich gefragt: Warum
sollen Männer denn nicht weinen dürfen, sich zur Schwäche bekennen- auch mal
hilflos sein…..gerade das macht doch erst so schön menschlich!
Was spricht dagegen, auch diese weiche Seite zu zeigen? Ich
hab die Antwort- denn es ist wieder einmal dieses vorgefertigte Bild „von“- das
dem Mann erzählt, wann er sich als Mann fühlen kann! Verletzlichkeit,
Sensibilität- Tränen- da wird der Mann doch spontan zum Weichei erklärt! Ein
Mann muss Stärke zeigen- hartgesotten sein in allen Lebenslagen- für alles eine
Lösung parat haben- und von Vorteil ist es dann, wenn auch das äußere
Erscheinungsbild diese Männlichkeit unterstreicht!???
Ehrlich gesagt, weiß ich damit nicht viel anzufangen- denn
ich mags nun mal in „echt“ und so natürlich wie möglich. Und heute kam mir mal
wieder so der Gedanke: Was kann so ein Verstand alles anrichten- wenn er uns
seine Idealbilder aufdrückt?
Ich werde niemals die
Situation vergessen- als ich miterleben musste (durfte), was von einem Menschen
abfällt, wenn er seinen Verstand nicht mehr unter Kontrolle hat, weil die
Emotionen der Angst zu stark sind! Plötzlich sah ich dieses kleine verletzte
Kind von einst mit seinen tiefen und durchaus berechtigten Ängsten!
Soll ich mal sagen, was das mit mir machte? Ich erkannte
diese ganze Tragik der frühkindlichen Verformung- diesen Verdrängungsprozess
von Gefühlen- nur- weil man diesem Kind einst signalisierte: Wenn du in dieser
Situation schön artig bist und nicht weinst, dann haben wir dich lieb! Dieses
Kind hätte in der Phase des Erlebens alles Recht der Welt gehabt, seinen
Schmerz hinauszuschreien…..
Ich erkannte aber auch in dieser Diskrepanz zwischen Verstand
und Seele- was sich zeigen kann, wenn der Verstand nur für kurze Zeit aufgrund von
Kontrollverlust Denkpause hat und Seele Einblick in ihr Inneres gewährt!
Ehrlich gesagt- als ich das beobachtete, standen mir die Tränen in den Augen-
denn da waren Ängste, die auf Geheiß des Verstandes ein Leben lang in der
hintersten Seelenecke kauerten…….und das Schlimme ist ja- kaum hat der Verstand
die Kontrolle wieder, schließt sich die Seelentür! Und alles ist wie zuvor!
Diese Erfahrung machte mir klar, wie wichtig und unerlässlich
es ist, dass wir uns auch als Erwachsene immer wieder auf dieses verletzte Kind
in uns berufen. Das Leid, das wir heute spüren, ist die Stimme dieses Kindes!
Es ist seine Wut, seine Enttäuschung, seine Angst, sein Gefühl- nicht
verstanden worden zu sein- abgelehnt in seinen natürlichen Bedürfnissen und
seinem SO-SEIN.
Vielleicht könnte man annehmen, dass diese kindliche Stimme
irgendwann verstummt- doch sie wird uns bis ans Lebensende begleiten- denn
dieses Kind ist ein Teil unserer selbst und ruft heute nach all dem, was es
damals nicht erhielt. Heute sind wir in der Lage, gut und bewusst für dieses
Kind zu sorgen, ihm ganz viel Streicheleinheiten und Wärme zu geben UND die
Bestätigung, dass es geliebt wird. Ja, es ist sogar wichtig, diesem Kind seinen Raum zu schenken- indem wir uns
bewusst mit dem verbinden, was da damals
geschah.
Ich denke eh, dass es nicht verkehrt wäre, Räume zu erschaffen- in denen wir uns selbst
die Möglichkeit schenken, unser Leben
neu auszurichten- so, wie es unseren tiefsten Bedürfnissen, bzw.
Wahrheiten entspricht und nicht so, wie es sich die Gesellschaft vorstellt.
Gesellschaft ist für mich eh gleich einer großen Bühne- auf
der es darauf ankommt, was „man“ denn so tut oder wie „man“ denn zu sein hat-
hat mit Individualität und leider auch mit Menschlichkeit wenig zu tun. Hier
spielt jeder seine Rolle wie zugedacht- perfekt- mit Ausdauer – jahrelang und
länger……um dann eines Tages festzustellen, dass eine nicht zugegen war und das
war die innere Wahrheit- das, was für mich wirklich stimmig ist! Passt wieder-
diese neue Studie, die besagt, dass viele Paare nur noch aus Gewohnheit
zusammen sind! Wo ist die liebevolle Verbindung geblieben? Kann und soll es das
sein- in einer Partnerschaft Tag für Tag aus Gewohnheit nebeneinander
herzuleben? Ist das das Leben mit seinem stillen Aufruf: „Mach aus mir das
Schönste und Größte, das du dir vorstellen kannst“?
Mir wird immer klarer, warum ich diese „Sandalen der
Sehnsucht“ anzog- denn sie führten mich in ein Leben, das mir weitaus
lebenswerter erscheint! Hier führt die Seele Regie, was bedeutet, dass alles,
was und wie es geschieht der Quelle des natürlichen Seins entspringt. Hier gilt
keine Orientierung nach vorgestanzten Bildern- „Ideen“, die sich andere für
mich ausdachten- hier richtet sich Leben nach dem, was ein Wohlgefühl für mich
hervorruft.
Und Seele wünscht sich nun mal nichts mehr, als zu FÜHLEN-
sich zu erspüren in ihrer Essenz, in allen Facetten ihrer Vollkommenheit- so
unperfekt, fehlerhaft wir uns auch oft sehen- das ist nicht relevant. Es geht
um den authentischen Ausdruck unseres Mensch-Seins und kein Mensch ist nun mal
perfekt, ohne Ecken und Kanten! Das wäre ja langweilig, wir alle in ein und
derselben Ausführung!
Allerdings geht es in unseren Seelenlandschaften keineswegs
langweilig zu- denn hier sind wahre Schätze beherbergt: Hier „wachsen“ die
gesunden Keimlinge der Freundschaft, der tiefen bedingungslosen Liebe, des
Mitgefühls, der Toleranz, des Vertrauens, des Verstehens, der Wahrhaftigkeit,
der Hoffnung, der Wärme, der Zuwendung ……hier finden das Lachen, die Freude
und die Leichtigkeit ein gemütliches
Zuhause. Nein, wer einmal dort angekommen ist, der möchte nicht mehr fort.
Außerdem vermag ich mich an diesem Ort intensiv um mein verletztes Kind zu
kümmern- denn im Grunde bin ich ihm ja rund um die Uhr sehr nahe, um seine
Bedürfnisse zu erspüren.
Das auferlegte
Rollenspiel von einst ist vorbei- ich bin nur noch ich! Ich weiß um
meine Fähigkeiten, aber auch um meine Begrenzungen- um meine Freude- aber auch
um meinen Schmerz- um meine Kraft, aber auch um meine Ängste. Doch eines wird
mir immer wichtig sein: dass ich in jedem Moment zu mir stehe und meinen
ge-wachsenen Wahrheiten absolut treu bleibe, denn Leben ist schließlich ein
wunderschönes Geschenk an uns alle!
©*Linda*
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