Donnerstag, 15. September 2016

„Die Sandalen der Sehnsucht“







„Die Sandalen der Sehnsucht“ 

Berührt durch das Gedicht „Sandalen der Sehnsucht“ wurde ich gedanklich  zurückgeführt in Lebensphase, die alles war- aber nicht das, was ich mir eigentlich unter einem erfüllten Dasein vorstellte.
Wenn man dann so wie ich in der Stille  intensiv lauscht,  kann es sein, dass sich da eine leise Stimme meldet, die einen letztendlich dazu bewegt, neue Wege zu gehen- in diesen „Sandalen der Sehnsucht“….…….

So musste auch ich mir eingestehen, dass  das „alte Schuhwerk“ aus Kindertagen mittlerweile viel zu eng geworden war, immens an vielen Stellen  drückte, bis ich es vor Schmerzen nicht mehr aushielt!
So tat ich diesen stillen Ruf: „Ich will weder weiter in diesen unbequemen schweren Schuhen laufen- noch will ich das Leben so weiter führen wie gehabt! Beides passt überhaupt nicht zu dem Menschen, der ich wirklich bin! Ich lebe da etwas, was ich vor mir selbst gar nicht verantworten kann!“

Nicht unbegründet hab ich mich mit dem auseinander gesetzt, was da in der frühen Zeit geschah. Immer und immer wieder wurde mir in zwischenmenschlichen Begegnungen bewusst, dass das einst „eingeatmete“ Bild von mir- von Leben- von Liebe– uns bis ins Erwachsenenalter  begleitet. Erst war es nur eine Rolle- dann wurden wir dermaßen vertraut mit ihr, dass sie uns veranlasste, zu glauben- das sei unsere wahre Identität! Wir müssen nur mal zurückschauen, WAS wir taten, WIE wir sein mussten, um „ihre“ Liebe, Aufmerksamkeit, Lob oder Bestätigung zu erhalten.

 Ich lasse mal das Kind von einst sprechen:

Wie hättet ihr mich denn gern?


..in perfekt- diszipliniert- verantwortungsvoll- leistungsstark- zurückhaltend- fürsorglich- kritiklos-„JA“- sagend- lieb- nett- gehorsam, angepasst oder muss ich sogar erst auf mich aufmerksam machen, damit ihr mich überhaupt wahrnehmt? Vielleicht gefällt es euch auch, wenn ich der „Indianer“ bin, der keinen Schmerz kennt…..und seine Angst, Traurigkeit, Sensibilität unterdrückt?????? 

Schau ich mich heute um, ist eine!! erlernte Lektion für mich extrem mit Tragik verbunden.


„Liebe bekomme ich nicht umsonst- sie ist an Bedingungen geknüpft!“

Dieses erlernte Bild von „Liebe“ hat es geschafft, negativen Einfluss auf die Qualität unserer Beziehungen zu nehmen, zudem das wahre Wesen der Liebe zu verschleiern- denn wahre Liebe hat mit Bedingungen rein gar nichts zu tun. Wahre Liebe will frei sein, ohne jeden Anspruch – ohne Bedürfnis- wertet nicht und nimmt ihren Anfang in uns selbst, denn wir sind Liebe- das ist unsere Natur. Ach, man hat uns so vieles nicht erzählt…..und was man uns beibrachte, ist meiner heutigen Ansicht nach nicht das, was uns ein erfülltes Dasein auf ewig beschert. Leben ist so viel mehr- wenn wir bereit sind, uns auf seine Führung ohne Wenn und Aber einzulassen.

Irgendwann, da verglich ich es mit einem Fluss- absolut unberechenbar in seinem Verlauf, seinen Windungen.  Leben wünscht sich allerdings  von uns  eine ganz bestimmte Haltung: bedingungsloses Vertrauen- kein Klammern am Ufer oder Pochen auf Sicherheit oder Routine. Stattdessen ist Hingabe erwünscht, verbunden mit  der Gewissheit, dass alles, wie es geschieht, immer zu unserem Wohle sein wird- wenn wir Leben agieren lassen! Dann nämlich wird es uns eines Tages aufzeigen,  worin seine Schönheit wirklich besteht!
Wir sind nicht „Leistung“- „Perfektion“-„Anpassung“ usw. und wir sind auch nicht der Indianer, der keinen Schmerz kennt! Wir sind sensible einzigartige Menschen mit einer wunderschönen Gefühlsvielfalt und grenzenloser Liebesfähigkeit in uns- mit dem Recht, uns so zu leben und auszudrücken, wie wir es ERFÜHLEN! Zudem sind wir  aufgefordert zu erkennen, dass  die wahre Liebe niemals irgendwelche Forderungen stellen wird und jeden so annimmt, wie er ist, ohne erst etwas sein oder haben zu müssen.
Doch es ist wichtig, dass wir bereit sind, uns selbst wieder „in Liebe“ anzunehmen- in unserer Schwäche und Stärke- mit unseren Begrenzungen und Möglichkeiten- mit unseren Gefühlen, ob in hell oder dunkel- mit all dem Ungeliebten in uns! Denn diese Sehnsucht ist in uns- sie kommt nicht von ungefähr und sie wird auch niemals wieder gehen! 

„Sie“ ruft nämlich, mehr oder minder hörbar:


„Ich will wieder die/ der sein- der/ die ich bin- bevor mir alle Welt erzählte, wer ich zu sein habe!“

 Darum geht es in dieser Zeit- um die Rückkehr in unser authentisches Wesen, um die Erinnerung, dass wir nichts als Liebe sind und so vollkommen in uns selbst!

Auch wenn wir es oft nicht glauben- doch diese Vollkommenheit besteht auch darin, dass wir nicht „halb“ und unvollständig sind, denn jeder trägt sowohl männliche als auch weibliche Anteile in sich.

 Ich denke da an den Song von Herbert Grönemeyer, der fragt:

„Wann ist der Mann ein Mann?“


Er nennt entsprechende Attribute, die aufzeigen, dass der Mann nicht nur dieses „bekannte“ rein Männliche verkörpert, sondern auch Verletzlichkeit, Weichheit, Sensibilität- all das, was eigentlich „nur“ den Frauen zugedacht wird. Doch so sieht Herbert Grönemeyer es nicht und diese Erkenntnis erfreut insbesondere mich- denn wie oft hab ich mich gefragt: Warum sollen Männer denn nicht weinen dürfen, sich zur Schwäche bekennen- auch mal hilflos sein…..gerade das macht doch erst so schön menschlich! 


Was spricht dagegen, auch diese weiche Seite zu zeigen? Ich hab die Antwort- denn es ist wieder einmal dieses vorgefertigte Bild „von“- das dem Mann erzählt, wann er sich als Mann fühlen kann! Verletzlichkeit, Sensibilität- Tränen- da wird der Mann doch spontan zum Weichei erklärt! Ein Mann muss Stärke zeigen- hartgesotten sein in allen Lebenslagen- für alles eine Lösung parat haben- und von Vorteil ist es dann, wenn auch das äußere Erscheinungsbild diese Männlichkeit unterstreicht!???

Ehrlich gesagt, weiß ich damit nicht viel anzufangen- denn ich mags nun mal in „echt“ und so natürlich wie möglich. Und heute kam mir mal wieder so der Gedanke: Was kann so ein Verstand alles anrichten- wenn er uns seine Idealbilder aufdrückt?

 Ich werde niemals die Situation vergessen- als ich miterleben musste (durfte), was von einem Menschen abfällt, wenn er seinen Verstand nicht mehr unter Kontrolle hat, weil die Emotionen der Angst zu stark sind! Plötzlich sah ich dieses kleine verletzte Kind von einst mit seinen tiefen und durchaus berechtigten Ängsten!
Soll ich mal sagen, was das mit mir machte? Ich erkannte diese ganze Tragik der frühkindlichen Verformung- diesen Verdrängungsprozess von Gefühlen- nur- weil man diesem Kind einst signalisierte: Wenn du in dieser Situation schön artig bist und nicht weinst, dann haben wir dich lieb! Dieses Kind hätte in der Phase des Erlebens alles Recht der Welt gehabt, seinen Schmerz hinauszuschreien…..


Ich erkannte aber auch in dieser Diskrepanz zwischen Verstand und Seele- was sich zeigen kann, wenn der Verstand  nur für kurze Zeit aufgrund von Kontrollverlust Denkpause hat und Seele Einblick in ihr Inneres gewährt! Ehrlich gesagt- als ich das beobachtete, standen mir die Tränen in den Augen- denn da waren Ängste, die auf Geheiß des Verstandes ein Leben lang in der hintersten Seelenecke kauerten…….und das Schlimme ist ja- kaum hat der Verstand die Kontrolle wieder, schließt sich die Seelentür! Und alles ist wie zuvor!

Diese Erfahrung machte mir klar, wie wichtig und unerlässlich es ist, dass wir uns auch als Erwachsene immer wieder auf dieses verletzte Kind in uns berufen. Das Leid, das wir heute spüren, ist die Stimme dieses Kindes! Es ist seine Wut, seine Enttäuschung, seine Angst, sein Gefühl- nicht verstanden worden zu sein- abgelehnt in seinen natürlichen Bedürfnissen und seinem SO-SEIN. 

Vielleicht könnte man annehmen, dass diese kindliche Stimme irgendwann verstummt- doch sie wird uns bis ans Lebensende begleiten- denn dieses Kind ist ein Teil unserer selbst und ruft heute nach all dem, was es damals nicht erhielt. Heute sind wir in der Lage, gut und bewusst für dieses Kind zu sorgen, ihm ganz viel Streicheleinheiten und Wärme zu geben UND die Bestätigung, dass es geliebt wird. Ja, es ist sogar wichtig, diesem Kind  seinen Raum zu schenken- indem wir uns bewusst  mit dem verbinden, was da damals geschah. 

Ich denke eh, dass es nicht verkehrt wäre,  Räume zu erschaffen- in denen wir uns selbst die Möglichkeit schenken, unser Leben  neu auszurichten- so, wie es unseren tiefsten Bedürfnissen, bzw. Wahrheiten entspricht und nicht so, wie es sich die Gesellschaft vorstellt.

Gesellschaft ist für mich eh gleich einer großen Bühne- auf der es darauf ankommt, was „man“ denn so tut oder wie „man“ denn zu sein hat- hat mit Individualität und leider auch mit Menschlichkeit wenig zu tun. Hier spielt jeder seine Rolle wie zugedacht- perfekt- mit Ausdauer – jahrelang und länger……um dann eines Tages festzustellen, dass eine nicht zugegen war und das war die innere Wahrheit- das, was für mich wirklich stimmig ist! Passt wieder- diese neue Studie, die besagt, dass viele Paare nur noch aus Gewohnheit zusammen sind! Wo ist die liebevolle Verbindung geblieben? Kann und soll es das sein- in einer Partnerschaft Tag für Tag aus Gewohnheit nebeneinander herzuleben? Ist das das Leben mit seinem stillen Aufruf: „Mach aus mir das Schönste und Größte, das du dir vorstellen kannst“?


Mir wird immer klarer, warum ich diese „Sandalen der Sehnsucht“ anzog- denn sie führten mich in ein Leben, das mir weitaus lebenswerter erscheint! Hier führt die Seele Regie, was bedeutet, dass alles, was und wie es geschieht der Quelle des natürlichen Seins entspringt. Hier gilt keine Orientierung nach vorgestanzten Bildern- „Ideen“, die sich andere für mich ausdachten- hier richtet sich Leben nach dem, was ein Wohlgefühl für mich hervorruft.

Und Seele wünscht sich nun mal nichts mehr, als zu FÜHLEN- sich zu erspüren in ihrer Essenz, in allen Facetten ihrer Vollkommenheit- so unperfekt, fehlerhaft wir uns auch oft sehen- das ist nicht relevant. Es geht um den authentischen Ausdruck unseres Mensch-Seins und kein Mensch ist nun mal perfekt, ohne Ecken und Kanten! Das wäre ja langweilig, wir alle in ein und derselben Ausführung!

Allerdings geht es in unseren Seelenlandschaften keineswegs langweilig zu- denn hier sind wahre Schätze beherbergt: Hier „wachsen“ die gesunden Keimlinge der Freundschaft, der tiefen bedingungslosen Liebe, des Mitgefühls, der Toleranz, des Vertrauens, des Verstehens, der Wahrhaftigkeit, der Hoffnung, der Wärme, der Zuwendung ……hier finden das Lachen, die Freude und  die Leichtigkeit ein gemütliches Zuhause. Nein, wer einmal dort angekommen ist, der möchte nicht mehr fort. Außerdem vermag ich mich an diesem Ort intensiv um mein verletztes Kind zu kümmern- denn im Grunde bin ich ihm ja rund um die Uhr sehr nahe, um seine Bedürfnisse zu erspüren. 

Das auferlegte  Rollenspiel von einst ist vorbei- ich bin nur noch ich! Ich weiß um meine Fähigkeiten, aber auch um meine Begrenzungen- um meine Freude- aber auch um meinen Schmerz- um meine Kraft, aber auch um meine Ängste. Doch eines wird mir immer wichtig sein: dass ich in jedem Moment zu mir stehe und meinen ge-wachsenen Wahrheiten absolut treu bleibe, denn Leben ist schließlich ein wunderschönes  Geschenk an uns alle!


©*Linda*

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