Das reine Sein als höchste Form der Existenz
Manchmal frage ich mich angesichts des aktuellen
Weltgeschehens, ob da nicht doch das Zeitalter des „neuen“ Denkens, der neuen
Einsichten angebrochen ist!? Irgendwie scheint die gesellschaftliche Gesinnung
gespalten zu sein- als würden sich zwei Seiten gegenseitig ein Gefecht liefern!
Ist es der Kampf des Verstandes, der Macht und Gewalt gegen die gelebte
Mitmenschlichkeit?
Mir blieb neulich eine Äußerung im Gedächtnis, welche ein
ausländischer Politiker kundtat: „Die Menschheit darf nie vergessen, dass wir
alle gleich nackt auf die Welt kamen und diese ebenso nackt wieder verlassen
werden. Was trennt uns eigentlich voneinander? Im Kern sind wir doch alle
gleich, egal, welcher Religion, Hautfarbe, Kultur wir angehören!“
Ja, da wünscht ein
Mensch wie ich, dass sich dieses
Bewusstsein ausweitet, denn EIGENTLICH
trennt uns nichts voneinander, außer das Gefühls der Trennung von uns selbst
und allem, was uns umgibt. Dieses Gefühl ist eindeutig die Frucht unserer
Erziehung, sowie das Zeugnis einer gesellschaftlichen Struktur, die uns bewusst
in dem Trennungsgedanken verharren lässt. Wer sich nämlich von sich selbst
getrennt fühlt, der ist darauf angewiesen, sein Glück, seine Bestätigung im
Außen zu suchen, sich der Sicherheit wegen in die Polonaise einzureihen, sich abhängig zu
machen von äußerem Lob, äußerer Wertbestätigung und vielen käuflichen Dingen,
die scheinbar so glücklich und frei
machen!
„Sie“ waren schon immer sehr gut darin, uns zu erzählen, was
der Mensch sich im Leben für Ziele setzen sollte, welche Wünsche er zu hegen
hatte- wann er von einem erfolgreichen Dasein sprechen darf!
Doch erfahrungsgemäß kommt im Leben irgendwann der Zeitpunkt mit ersten
Fragezeichen. Ja, man schaut auf „sein Haus, seinen hohen beruflichen Titel,
seine Yacht, sein dickes Bankkonto, seinen attraktiven Partner“, darf sich
durchaus sagen, dass die einst vermittelten Konzepte des Verstandes fruchteten.
Und dennoch ist da das eine Gefühl, das sich nicht ausschalten lässt, gekoppelt
mit der Frage: Habe ich überhaupt „richtig“ gelebt oder kann es sein, dass ich
in einer völlig falschen Richtung unterwegs war? Viiieellleicht war ja diese
Bühne , auf der ich mit Perfektion und unermütlichem Leistungsgedanken agierte,
gar nicht der richtige Ort?
Mein Erahnen kommt nicht von ungefähr, weil es da ein
unumstößliches Gesetz des Lebens gibt: Leben ist grundsätzlich auf die
Entwicklung der Individualität ausgerichtet und mag es gar nicht, wenn Menschen
bis an ihr Lebensende in der Polonaise mitlaufen! Dafür sind wir nicht geschaffen! Das kann unmöglich Ziel im
Leben sein, denn dafür ist jedes Leben viel zu individuell! Leben ruft nach dem
Ausdruck unserer Einzigartigkeit , nach der Verkörperung des reinen Seins- erst
dann verwirklichen wir die höchste Form der menschlichen Existenz!
Ich komm noch einmal auf den Ausspruch des Politikers
zurück. Wir werden alle ohne Ausnahme in unserem wunderschönen Nacktsein
geboren, in der reinsten Essenz, die wir uns nur vorstellen können! Doch dann
sehen wir uns angehalten, ein Gewand nach dem anderen anzuziehen und mit jedem
neuen Kleidungsstück verblasst unsere wahre Natur immer mehr. Na ja und dann
geht es dem Gesetz des Lebens nach eigentlich nur darum, dass wir uns Prozess für
Prozess dieser überflüssigen Gewänder wieder entledigen, so lang, bis wir in
unsere „Ausgangsblöße“ zurückfinden und uns zum puren Nacktsein bekennen.
„Mehr“ passiert da im Leben nicht, auch wenn wir uns so oft beklagen
über Schmerz und Leid. Es muss weh tun, damit wir verstehen, dass unsere
Gewänder nichts mit unserer eigentlichen Persönlichkeit zu tun haben. Wir sind
nicht unser Erfolg, unser Titel, unser Geld!
Da ich nur allzu gern meine Phantasie spielen lasse, stellte
ich mir mal eine Strandsituation vor. Zugegen sind viele Menschen- Männlein, Weiblein- Bänker, Obdachlose, Rechtsanwälte, Hausfrauen
– halt bunt gemischt, aus jeder Schicht. Und es gibt eine Voraussetzung:
Niemandem ist es gestattet, sich zu outen, was Beruf, Status, Verdienst,
Herkunft usw. betrifft. Kein Chauffeur
um die Ecke, keine Designerklamotten. Kurzum- all die äußeren Kriterien müssen
total wegfallen- es ist nur die reine Persönlichkeit erwünscht. Ich möchte
wetten: Da finden Menschen zueinander, die sich auf der Bühne des Alltags
niemals angeschaut hätten, weil es die Rollenbesetzung nicht zugelassen hätte.
Da sitzt dann nämlich nur noch die reine Essenz des Seins in
der Runde und nur so ist die Möglichkeit gegeben, sich aus einer ganz anderen
Sicht kennen und schätzen zu lernen: aus dem Herzen und nicht aus dem Verstand.
Es werden am Strand „nur noch“ Nackte unter Nackten sitzen und wahrscheinlich
zum ersten Mal spüren, welches Wohlgefühl damit verbunden ist! Kein Wunder,
denn in den Momenten fallen alle beschwerlichen Gewänder ab!
Ich denke, es ist zu verstehen, was ich mit diesem Bild zum
Ausdruck bringen möchte! Eigentlich sind wir unter unseren Alltagsgewändern
alle gleich – sich sorgende, mitfühlende, liebenswerte Menschen , ausgestattet
mit der selben tiefen Sehnsucht nach Wärme und dem einen Ort, an dem wir uns
geliebt und verstanden fühlen dürfen! Und dann kommt noch etwas Wunderschönes
hinzu! Jeder Mensch ist auf seine Art ein absolutes Unikat mit ganz eigenen
Fähigkeiten, Vorlieben, Ecken und Kanten!
Ist zu verstehen, dass Leben und Seele alles daran setzen,
dass wir Prozess für Prozess, Schmerz für Schmerz in dieses „neue“ Bewusstsein
wachsen, damit wir uns aus der Polonaise der Allgemeinheit entfernen, um
unseren Solotanz in unserem ureigenen Rhythmus zu tanzen? Das ist unsere Bestimmung und so sollen wir einmal von dieser Welt
gehen- mit dem wohltuenden Gefühl, dass es uns gelang, unsere innere Essenz voll zum Ausdruck zu
bringen.
Nein, wir können auf dieses Leben nicht schimpfen- es hat
vielmehr unsere ganze Hingabe und Dankbarkeit verdient! Wir brauchen uns nicht
als Opfer zu fühlen, wir sind lediglich Seelen in einem immerwährenden
Erinnerungsprozess bezüglich unseres Ursprungs, auf der Reise ins wahre Leben!
Wenn wir nämlich genau hinschauen, dann entdecken wir sehr
deutliche Liebeszeichen des Lebens an uns. Jeder scheinbar so zufällige Zufall
in Form menschlicher Begegnungen ist im
Grunde eine gut durchdachte Fügung von „höherer Stelle“ – ist Botschaft von
unserem Weg! Durch jeden Menschen , der
unseren Weg kreuzt, wird die Möglichkeit
geschenkt, uns selbst neu zu erschaffen- in jeder noch so schmerzhaften
Situation ist auch immer die Chance verborgen, etwas im Leben zu verändern-
eine neue Denkweise zu entwickeln.
Es gibt nichts im Leben, dass uns nicht die Gelegenheit
offenbart, immer mehr wieder wir selbst zu werden.
Wir brauchen nur unsere inneren Antennen auszufahren und
herauszufiltern, womit wir voller Wohlgefühl auf Empfang gehen. Genau dann ruft
die Seele freudig: „Ja, das tut gut, das bin ich!“ Darum ist eine Haltung sehr
zu empfehlen. Man muss sich einfach nur mit der Seele verbinden, spüren, welche
Impulse sie gibt und schon stellt sich Gelassenheit ein.
Es geht im Leben um
unsere Seelenheilung und Ganzwerdung, wobei ich mittlerweile weiß, dass ich
mich nie groß um das „WIE“ bemühen musste/
muss. Seele weiß genau, wo sie hinwill und lässt sich davon auch nicht
abbringen. Wenn eine Regie im Leben führt, dann ist sie es und darum brauchen
wir uns nur achtsam und vertrauensvoll dem Lebensfluss hinzugeben- wir werden
am Ziel ankommen, auch wenn zig Umwege zu machen sind. Stehen wir in der
Haltung der Treue und Verantwortung zu uns selbst, dann ordnen sich die Dinge
wie von allein. Nur eines ist nicht so angebracht: Verbitterung und
Kampfeinstellung dem Leben gegenüber, denn dann zieht Leben sich mit all seinen
liebevollen Absichten zurück.
Leben braucht unser uneingeschränktes JA zu all seinen
Windungen, zu jeder Form von Schmerzerfahrung, auch wenn wir es nicht
verstehen, warum etwas so oder so verläuft. Wir dürfen sicher sein- die „höhere
Stelle“ ist bestens im Bilde! Wir werden immer in der für uns exakten
Lernsituation sein- jeder bekommt zum richtigen Zeitpunkt genau das, was er
benötigt, um in eine neue Einsicht zu wachsen. Eigentlich ist es eine maßgeschneiderte
Zuwendung, die wir erhalten, absolut auf die persönliche Situation
zugeschnitten. Vielleicht liest es sich fragwürdig, aber ich werde
komischerweise extrem mit den Problemsituationen konfrontiert, die ich noch als
meine unerlösten Schatten sehe. Und ich weiß schon jetzt- es wird sich so oft
wiederholen, bis ich mich damit ausgesöhnt habe!
Nun könnte man sich mit Recht fragen, was das alles soll-
doch für mich gibt’s nur die eine Antwort: Seele muss und will den Weg durch
alles Dunkle gehen, doch wünscht sich nichts mehr, als dass sie eines Tages ein
Kleid voller Licht trägt, um dann freudig sagen zu können:
„Jetzt bin ich nur noch reine wahre Liebe und fähig, diese Liebe zu verschenken!
Ich brauche nicht mehr zu kämpfen, um Liebe zu bekommen- ich
habe die Liebe IN MIR wiedergefunden, weil der ganze angestaute Verstandesmüll
nun beseitigt ist!“
Ohne Frage, dieser ganze Prozess bringt Schmerzen mit sich,
aber genau genommen kommt er einer Art von Auferstehung mitten im Leben gleich.
Es schrieb einmal ein Autor:
„Ich habe alles verloren, doch dafür habe ich mich selbst
gefunden!“
Wir lassen unser altes Leben hinter uns, um ein völlig neues
zu beginnen, um unser Dasein aus einer anderen Perspektive zu sehen, denn was
wir auch tun, sagen, fühlen- immer wird der Ausgangsort unsere innere Quelle
sein und nicht mehr der Verstand! Anders ist ein wirklich erfülltes Leben gar
nicht möglich und im Grunde kommt es schon der Tragik gleich, dass wir uns
angehalten sehen, auf der großen Bühne unsere Rollen mit Bravour zu spielen- um
sicher sein zu können, so den gesellschaftlichen Erwartungen und Normen zu
entsprechen. Was wird da von uns abverlangt? Wir zahlen einen so hohen Preis,
denn bei jedem Bühnenauftritt verleugnen wir unser wahres Sein! Wie soll Seele damit
umgehen?
Nicht ohne Grund schrieb ich vor Jahren diese Wahrheit:
Manchmal braucht man in dieser Welt
das zweite Gesicht,
denn wer, so frag ich mich-
will eine verletzliche Seele sehn
oder gar verstehn?
© Linda
Und dabei kann doch der Mensch nur einmal er selber sein und
das heißt auch, dass er ein Anrecht hat, sein zu dürfen, der er nun mal ist-
das ist unser aller Geburtsrecht!
Von daher wünsche ich mir sehr oft, wir Menschen wären alle
„nur“ als Seelen unterwegs, mit dem Mut, sich zur innewohnenden Verletzbarkeit,
Sensibilität, Gefühlsvielfalt- zu Zweifeln, Unsicherheiten, Schwächen zu
bekennen. Runter von der Bühne und rein in die Authentizität. Wir würden spüren, wie viel Liebe, Fürsorge, Verständnis,
Mitgefühl, Gemeinschaftssinn wir eigentlich alle in uns tragen! Denn eines ist
gewiss: Die Entscheidungen der Seele
sind immer im höchsten Sinne der Liebe:
…..ohne Gewalt
….ohne Verleugnung,
….ohne Verurteilung,
….ohne Machtgedanken
…ohne Unfrieden
Phil Bosmans meinte:
Frieden wird erst möglich sein,
wenn Menschen mit sich selbst im Frieden leben.
Frieden wohnt in der Zufriedenheit.
Frieden beginnt, wo Habsucht, Hass und Gier aufhören.
Phil Bosmans
Rechte und Pflichten umarmen sich,
wo Menschen zu Mitmenschen werden,
wo Liebe die Norm ist
für alle menschlichen Beziehungen.
Da entsteht Frieden und Freundschaft.
Da tut jeder gern seine Pflicht.
Da bekommt jeder sein Recht.
Phil Bosmans
Der Weltfrieden beginnt definitiv in jedem Menschen selbst,
denn wenn wir „nur noch“ aus Seelensicht agieren- aus der bedingungslosen Liebe
und Selbstachtung für uns selbst, dann werden wir sich diese Haltung im
gelebten Miteinander widerspiegeln. Dann gehen wir mit anderen Seelen so um,
wie wir es uns für uns selbst wünschen. Wir erkennen uns im Anderen wieder, spüren die Verbundenheit,
denn aus dem gesunden Ich-Gefühl wird sich ein ebenso gesundes Wir- Gefühl entwickeln.
Wir werden uns nicht mehr über Besitz, Leistung und Perfektion definieren,
sondern über die Einzigartigkeit unserer wiedergefundenen inneren Schönheit. Und da so
jeder sein inneres Feuer in sich trägt, ist das ein prima Richtungsweiser für
den beruflichen Einsatz. Da gehts dann nicht mehr um die Höhe der Karriereleiter-
um die Anzahl der Schulterklopfer vom Chef, da gilt nur noch das Maß der
inneren Erfüllung während des Tuns. Und dann werden wir so intensiv wie nie
zuvor spüren, wie lebendig wir innen drin sind, denn wir verwirklichen uns
selbst und da kommt es drauf an!
Wollte ich eine allgemeine Lebensdevise erschaffen, dann
könnte sie lauten: Ich habe Leben genossen, wenn ich MICH in all meinen
Facetten lebte, wenn ich mich bei allem, was ich tat, sagte, fühlte- zu jeder
Zeit seelennah erspürte. Schau ich aus dieser Sicht auf gängige Lebensbereiche wie Partnerschaft, Freundschaft,
Freizeitbeschäftigung- dann finde ich einen Motivationsgrundgedanken:
Verwirklichung unserer selbst mit dem Bestreben, die höchste Version unserer
Vision von allem zu erschaffen. Was immer ich tu, es muss zu jeder Zeit Aussage
sein, wer ich aus Seelensicht sein möchte, was ich erleben möchte, um diese
innere Essenz noch mehr auszuschöpfen.
Sich immer wieder neu zu entdecken- in hell oder auch dunkel- ich glaub, das
ist Abenteuer pur!
Nun erfahre ich ja so zwischendurch immer noch genug über
die Zustände der oberflächlichen Welt, um sagen zu können: Dieses Bild von
gelebter Mitmenschlichkeit wird definitiv noch sehr lange ein Wunschtraum
bleiben! Doch möglich ist es allemal und
mit meiner starken Hoffnung bin eh der Ansicht, dass das Gute sich
letztendlich über das Böse erhebt.
Denn ich glaub so fest daran, dass Gott die Fäden in der Hand hält und sich nichts
mehr wünscht, als dass wir SEIN Geschenk des Lebens an uns achten und die schönste Version unserer selbst erschaffen
und leben, indem wir „einfach“ wieder Menschen werden, Menschen mit einer
liebenden, verletzlichen und bunt- leuchtenden Seele.
*Linda*
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