Samstag, 22. Juli 2017

Jeder ist dazu berufen, Mensch zu sein…







Jeder ist dazu berufen, Mensch zu sein…


Jeder ist dazu berufen, Mensch zu sein…….gemäß dieser erlesenen These könnte ich erst einmal eine lange Atempause machen, berechtigte Zweifel aufkommen lassen, denn so „menschlich nett“ geht es in unserer Welt gewiss nicht zu!

Menschen machen sich das Leben gegenseitig schwer…an jeder Ecke neue Zeichen der Gewalt und niedrigen Machenschaften….dann der aktuell ins Visier gerückte Fall des sexuellen Missbrauchs an Schutzbefohlenen in den sechziger Jahren……

Hinsichtlich dessen darf ich mir höchstens die Frage stellen: Hatten diese Menschen eigentlich kein Herz, als sie bei hunderten von Kindern so viel Seelenschmerz verursachten? Was nützt da im Nachhinein jede finanzielle Entschädigung? Dem Gesetz nach ist die Sache zwar verjährt- doch eine Seele vergisst niemals! Also, wo war in den Momenten das Herz der Verursacher?

Hier sag ich gemäß meines Erahnens: das muss definitiv fest verschlossen gewesen sein! Nie und nimmer wäre ein geöffnetes fühlendes Herz in der Lage gewesen, einem anderen Herzen so viel Leid zuzufügen….und dann so jungen Menschen!

Ich möchte ergründen, warum Dinge so sind wie sind und erkenne immer wieder, welch bittren unmenschlichen Ausmaße es annehmen kann, wenn der Mensch mit einem verschlossenen Herzen unterwegs ist.


Vor Kurzem gönnte ich mir den Einblick in die Leidenszeit des Jehuda Bacon, ein fünfzehnjähriger Jungen, der Auschwitz überlebte und trotz aller Höllenqualen später davon sprach, dass auch in seinen Peinigern ein Funke der Liebe glimmte. Ja, Jehuda Bacon brachte die Kraft auf, diesen Menschen zu verzeihen- eigentlich unvorstellbar…….doch er hatte seine Gründe.



Ihm wurde z. B. folgende Frage gestellt:

Was denken Sie über ihre Peiniger in Auschwitz?

Seine Antwort:

„Es klingt sicher etwas merkwürdig, wenn ich das so sage, aber nach der langen Zeit denke ich, das waren ja etwa 20-jährige junge Leute, die von all dem verdorben waren und unter einem enormen Druck standen. Die wussten, so lange sie dort arbeiteten, mussten sie nicht zum Sterben an die Front.“

„Ein SS- Mann kam zu uns Kindern und sagte: “Ihr habts gut. Ihr habt den Frieden und wir müssen an der Front kämpfen.“Manchmal kamen die SS- Leute nach Selektionen zu uns-, um sich auszuruhen und dann sangen wir Kinder ihnen ein bisschen vor und sie wurden ganz still.  In Wirklichkeit waren doch all diese Menschen nur so groß, weil sie die Position hatten, weil sie die Macht über andere hatten. Aber wenn man sie ohne Uniform in ihrer Nacktheit sah, dann waren sie einfach Menschen- so wie du und ich.

Jehuda Bacon erzählte folgende Begebenheit:

Da war Josef, ein Mitgefangener- eigentlich  ein Mensch, wie wir alle- bis Josef zum Kapo befördert wurde – eine Uniform anzog und von nun an die Leitungsfunktion  in der Gruppe inne hatte. Von dem Tag an war alles Menschliche von Josef gewichen- er wurde einer von den Peinigern und entsprechend war auch sein diskriminierendes Verhalten. Das konnte so geschehen, weil er nun Uniform und Macht besaß…

Josef wurde definitiv von seinem Verstand und der Macht verführt…..und wo Macht ist, da ist kein Platz für Menschlichkeit.

Man lebte halt dort  in einer anderen Welt mit anderen Gesetzen.

So lange wir leben, müssen wir uns entscheiden und wir wissen, dass wir uns für das Gute entscheiden sollen. In dem Moment, in dem wir herzlos sind, können wir verführt werden.“


Genau hier sehe ich die Wurzel allen Übels, denn Jehuda Bacon hätte es nicht zutreffender formulieren können! In dem Moment der Herz- LOS- igkeit, da greift der Verstand und fragt nicht mehr , ob etwas Recht oder Unrecht ist. Der Grund: Die Gesetze der Verstandeswelt stehen absolut konträr zu denen in der Herzenswelt.

Einem Verstand geht es ums Überleben, er bedient sich dabei bewährter althergebrachter Konzepte, pocht auf Sicherheit und das in relativ nüchterner schwarz- weiß- Ausgabe. Ich sag mal in kurz und knapp: Mit Emotionen braucht man ihm nicht zu kommen- dazu ist Leben „in seinen Augen“ viel zu ernst! „Hey!“, würde er rufen:  „Es geht schließlich um die Sicherstellung der Existenz.“

Hinsichtlich dessen ist es durchaus nachvollziehbar, warum die Peiniger in Auschwitz so und nicht anders handelten, nicht anders handeln konnten, denn ihre Umgebung hatte sie geformt. Sie wurden zum leibhaftigen Aushängeschild der dort bestehenden verstandesmäßigen Ordnung und wollten sie überleben, mussten sie sich ordnungsgemäß verhalten. Wie es allerdings tief drinnen in ihnen ausschaute, das möchte ich mir gar nicht vorstellen.

Auch den Erziehern der Jugendanstalt in Freistatt  ging es ähnlich. Das damalige System schrieb halt vor, den Willen der Jugendlichen zu brechen, sie zu unmündigen Personen zu formen. Wären diese Erzieher ihrem Herzen nah gewesen, sie hätten solch eine entwürdigende Erziehung nicht befürwortet, denn sie erstickten die jungen Seelen.



Für mich wurde eine Frage irgendwann so wichtig, dass ich sie niederschrieb und  an der Wand anbrachte:

 „Warum tue ich, was ich tue- kommt es aus dem Verstand oder kommt es aus dem Herzen?“

Animiert wurde ich halt durch das Wissen, dass auch ich ein „gebranntes Kind“ war, das über einen viel zu langen Zeitraum mehr dem Verstandesmäßigen folgte, als meinem Herzen, bzw, meiner inneren Stimme. Doch dann las ich etwas sehr Wegweisendes:

Alles, was wir ohne Beteiligung des Herzens tun, ist im Grunde sinnlos, denn es ist und bleibt nun mal „nur“ Sache des Verstandes. Diese Handlungen sind so was wie ein Erbe unserer Vorfahren- künstliche erlernte Konzepte, Strategien, Anleitungen, die aber mit uns als Mensch nichts zu tun haben.

Ganz klar sag ich heute: Im Grunde wurden wir in der Kindheit dazu angehalten, viele sinnlose Dinge zu tun, denn wir waren ja durchweg im Verstand zu Hause. So wie ich war, wollte man mich nicht und was blieb mir Anderes übrig, als ihren Bildern gerecht zu werden? Was hab ich nicht alles unternommen- um zu gefallen, für ein bisschen Lob, um dazuzugehören….um nicht zu enttäuschen, um Erwartungen zu erfüllen, um Harmonie aufrecht zu erhalten- doch: Alles, was ich tat, bezog sich ständig auf die Reaktionen meines Umfeldes. Was für mich gut war, das beachtete ich gar nicht.

Erst als ich in mir selbst heimisch wurde, den Verstand aus seiner Herrschaft entließ, tat ich nur noch das, was sich innen drin stimmig anfühlte. Nach so einem Sinneswandel kristallisiert sich diese ganze Tragik heraus, denn dachten wir immer, wir müssten für Liebe, Anerkennung etwas tun, sein oder haben…..NEIN, absolut nicht!


Seele sieht das völlig anders und signalisiert: Um geliebt zu werden, müssen wir rein gar nichts tun, als nur wir selbst zu SEIN! Es würde nicht dem Wesen der Liebe entsprechen, auch nur eine einzige Erwartung zu stellen! Die wahre Liebe möchte sich ohne jede Bedingung verschenken.

Von daher dürfen wir uns ganz groß vor die Stirne schreiben:

Jeder ist gut und richtig so, wie er von Gott erschaffen wurde und besitzt das uneingeschränkte Geburtsrecht, nach seinen Fähigkeiten, Möglichkeiten, aber auch Begrenzungen sein Wohlfühlleben zu führen!

Hier muss ich einfach kurz innehalten, denn ich frage mich, ob denn eine Gesellschaftsstruktur wie die unsrige das ebenso sieht!??? Heißt es nicht: „Arm, alt und krank darfst du nicht werden“, sonst findest du dich ganz rasch am Rande wieder!?? Somit stehen sich zwei Ansichten gegenüber- welche hat denn nun Berechtigung?

Ganz einfach- es kommt nur drauf an, welche Richtung verfolgt wird! Hat der Verstand das Sagen oder die Seele? Geht es um das Bild eines  Menschen, der sich über Leistung, Wohlstand, Besitz definiert oder um den rein menschlichen Menschen, der auch mal schwach, unperfekt sein darf, dafür aber ganz viel Herz hat?

Hier erinnere ich mich an eine Fernsehreportage, in der ein Hotelbetrieb vorgestellt wurde- einer der anderen Art. Warum? Weil hier nämlich ein buntes Gemisch an Angestellten zusammenarbeitet: Menschen ausländischer Herkunft, Menschen mit und ohne Behinderungen. Hier wird nämlich der menschliche Grundgedanke gelebt – hier bringt sich jeder mit dem ein, was ihm möglich ist- und es klappt wunderbar.
An diesem Ort wird echte Menschlichkeit verkörpert- der Leistungs- und Profitgedanke ist zweitrangig. Ich glaube, angesichts dieses Beispiels  ist nur ein bisschen Umdenken angesagt und schon wird unsere Welt ein bisschen heller!




 „Manchmal muss der Mensch halt erst in den Krieg ziehen, um zu spüren, dass er den Krieg gar nicht mag.“

Ich denke, genau diese „Kriegserfahrungen“ sind die Herausforderungen der neuen Zeit….da fallen all die alten Verstandesgewänder ab, die man uns in früher Zeit überstülpte und dann dürfen wir endlich von der neuen Freiheit der Seelen sprechen.
Ja, ich spreche bewusst von Herausforderungen, denn wir sind definitiv gefordert! Es geht schließlich darum, uns von der Herrschaft des Verstandes zu befreien- endlich zu begreifen, dass  verstandesmäßige Handlungen uns ins Nichts führen, weil der Bezug zu unseren tiefen Seelenbedürfnissen fehlt.



Immanuel Kant prägte einen sehr aussagekräftigen Satz:

„Frieden ist ein Meisterstück der Vernunft.“

Immanuel Kant

Vernünftig zu werden heißt für mich, unser Leben bewusst aus einer anderen Perspektive zu sehen- nicht in der Haltung der Selbstverurteilung, belastet mit Schuldgefühlen, sondern mit so viel Verständnis und Liebe wie möglich. Dass man uns in der frühen Kindheit von uns selbst abtrennte, dafür können wir nichts- doch wir sind heute in der Lage, unser Leben neu in die Hand zu nehmen und alles dafür zu tun, dass wir uns unsere Seelenkraft und Seelenschönheit zurück erobern und dem Verstand höchstens die Rolle des Dieners zusprechen.

Immer und immer wieder geht es darum, dass wir endlich in unseren Seelenfrieden finden, denn wollen wir ein erfülltes sinnvolles Leben führen, dann wird das nur so möglich sein. Ich gehe sogar so weit, zu sagen: Jede Begegnung sollte immer Begegnung auf Seelenebene sein!

Der Grund: Eine Seele besteht einfach „nur“ aus Liebe und kann gar nicht anders, als liebevoll zu handeln . Da ist es dann völlig egal, woher jemand kommt, was er kann oder nicht kann, welche Handycaps er hat, ob er nun reich oder arm ist, dick, dünn oder sonst was. All diese Attribute zählen für eine Seele nicht, denn sie bewertet nicht, weil sie weiß, dass jeder Mensch in sich auch „nur“ Liebe trägt, dass wir eh alle miteinander verbunden sind. Ich glaub auch nicht, dass ein Seelenmensch jemals in den Krieg ziehen könnte, um Menschen zu töten- es würde ihm selbst weh tun.

Verständlich, wenn ich sage: Würden wir uns nur als Seelen begegnen, dann würden schlagartig Frieden, Gerechtigkeit, Wahrhaftigkeit, Toleranz in unser Weltgeschehen einziehen und jedes Machtgehabe, jedes Bühnenspiel könnte sich verabschieden, wäre gar nicht mehr nötig! Dann wäre absolute Authentizität an der Tagesordnung, weil jeder sich getrost so geben dürfte, wie er nun mal ist, in dem Wissen, nichts an sich verändern zu müssen. Vor allen Dingen würde sich jeder aufgrund der Echtheit im Anderen wiedererkennen!

Doch wie ich  Gott so einschätze, schenkt er uns noch einige heftige Aufwach- attacken, bis Menschen zur Besinnung kommen und endlich die Richtung wechseln.

Gott braucht uns in menschlich – schließlich gab er uns allen eine innere Schönheit mit- stattete uns aus mit Fähigkeiten, Talenten, gab uns Sinne und Gefühle- und das gewiss nicht, um alles verkümmern zu lassen! Wir sind doch keine Eisberge- wir sind einzigartige Seelen mit einer wunderschönen Blühkraft und einem ganz eigenen Duft! In uns allen ist so viel Fülle verborgen.

Nun sag ich aus meiner Wegerfahrung heraus: Zum Glück sorgt jede Seele dafür, uns immer wieder daran zu erinnern, wenn wir ihr keine Heimat sind, denn das ist ihr großes Ziel in diesem Leben! Wenn auch schmerzvoll, stupst sie uns in bester Absicht an und bittet um die Wertschätzung unserer Gefühle und inneren Wahrheiten.

Es kann nicht vorrangig um die Frage gehen: Wie leistungsfähig, wie perfekt, wie machtvoll ist der Mensch- sondern es gilt, Antwort auf die Frage zu finden: Wie viel Liebe und Persönlichkeit  trägt der Mensch in sich?
Was uns trennt, das ist nur dieser Verstand mit seinem völlig verdrehten Bild der Liebe und absolut falschen Wertvorstellungen, bzw. Zielen.

Man hat uns in die Spur gedrängt- möglichst groß, einflussreich, laut und mächtig zu erscheinen, vor „Selbstbewusstsein“ nur so zu strotzen auf der Bühne des Alltäglichen……als Beweis, sein Leben voll im Griff zu haben….allerdings, ohne uns wirklich unserer selbst- bewusst- zu- sein. Es gibt nämlich keinen schwereren Prozess , als in seine dunklen Schluchten hinabzusteigen, sich mit seinen Schatten zu konfrontieren, das innere Kind zu umarmen –  den Mut zu haben, sich zu seinen Schwächen und Ungereimtheiten zu bekennen! Und je nackter wir werden, umso schöner werden wir. Doch dieser Wahrheit werden wir auch heute noch beraubt.


 Ich weiß, warum alles so schwer ist- denn kaum jemand wagt es, über seine wahren Empfindungen und Sorgen zu sprechen, aus Angst, sich lächerlich zu machen, abgelehnt zu werden, nicht verstanden zu werden. Dabei gibt’s nichts, was größere Freiheit schenkt. Erschwerend kommt noch hinzu:  Wir haben  nie gelernt, über unser inneres Befinden zu sprechen- unsere vielfältigen Gefühle zu erforschen. Wie denn auch, wenn uns der Zugang verwehrt wurde? Aber das da drinnen, das sind leibhaftig wir selbst- leibhaftiger und lebendiger können wir gar nicht sein! Da ist eine ganze Welt, die auf Eroberung wartet- da ist unser wirkliches Daheim! Da drinnen, da wartet die Liebe auf uns, in der Gemeinschaft mit  der Freude, dem Lachen, der Leichtigkeit, der Unbeschwertheit, der Zufriedenheit. In uns, das wohnt das wahre Leben und nicht irgendwo im Konsumland oder in der Leistungsabteilung.

Schade- traurig…..so! hat man es uns  nie erzählt und damit einen riesigen Fehler gemacht. Unser natürliches Menschsein wurde aufs Abstellgleis verfrachtet- und alles , um den Verstand zu nähren, weil es sinnvoller schien, wenn die Aktien hoch im Kurs stehen, als die gelebte Menschlichkeit.


Ich weiß nur- Seele wartet auf ihr Erblühen, denn wir sind von Gott  dazu berufen, Mensch zu sein!

*Linda*

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