Jeder ist dazu berufen, Mensch zu sein…
Jeder ist dazu berufen, Mensch zu sein…….gemäß dieser
erlesenen These könnte ich erst einmal eine lange Atempause machen, berechtigte
Zweifel aufkommen lassen, denn so „menschlich nett“ geht es in unserer Welt
gewiss nicht zu!
Menschen machen sich das Leben gegenseitig schwer…an jeder
Ecke neue Zeichen der Gewalt und niedrigen Machenschaften….dann der aktuell ins
Visier gerückte Fall des sexuellen Missbrauchs an Schutzbefohlenen in den
sechziger Jahren……
Hinsichtlich dessen darf ich mir höchstens die Frage
stellen: Hatten diese Menschen eigentlich kein Herz, als sie bei hunderten von
Kindern so viel Seelenschmerz verursachten? Was nützt da im Nachhinein jede
finanzielle Entschädigung? Dem Gesetz nach ist die Sache zwar verjährt- doch
eine Seele vergisst niemals! Also, wo war in den Momenten das Herz der
Verursacher?
Hier sag ich gemäß meines Erahnens: das muss definitiv fest
verschlossen gewesen sein! Nie und nimmer wäre ein geöffnetes fühlendes Herz in
der Lage gewesen, einem anderen Herzen so viel Leid zuzufügen….und dann so
jungen Menschen!
Ich möchte ergründen, warum Dinge so sind wie sind und erkenne
immer wieder, welch bittren unmenschlichen Ausmaße es annehmen kann, wenn der Mensch
mit einem verschlossenen Herzen unterwegs ist.
Vor Kurzem gönnte ich mir den Einblick in die Leidenszeit
des Jehuda Bacon, ein fünfzehnjähriger Jungen, der Auschwitz überlebte und
trotz aller Höllenqualen später davon sprach, dass auch in seinen Peinigern ein
Funke der Liebe glimmte. Ja, Jehuda Bacon brachte die Kraft auf, diesen
Menschen zu verzeihen- eigentlich unvorstellbar…….doch er hatte seine Gründe.
Ihm wurde z. B. folgende Frage gestellt:
Was denken Sie über ihre Peiniger in Auschwitz?
Seine Antwort:
„Es klingt sicher etwas merkwürdig, wenn ich das so sage,
aber nach der langen Zeit denke ich, das waren ja etwa 20-jährige junge Leute,
die von all dem verdorben waren und unter einem enormen Druck standen. Die
wussten, so lange sie dort arbeiteten, mussten sie nicht zum Sterben an die
Front.“
„Ein SS- Mann kam zu uns Kindern und sagte: “Ihr habts gut.
Ihr habt den Frieden und wir müssen an der Front kämpfen.“Manchmal kamen die
SS- Leute nach Selektionen zu uns-, um sich auszuruhen und dann sangen wir
Kinder ihnen ein bisschen vor und sie wurden ganz still. In Wirklichkeit waren doch all diese Menschen
nur so groß, weil sie die Position hatten, weil sie die Macht über andere
hatten. Aber wenn man sie ohne Uniform in ihrer Nacktheit sah, dann waren sie
einfach Menschen- so wie du und ich.
Jehuda Bacon erzählte folgende Begebenheit:
Da war Josef, ein Mitgefangener- eigentlich ein Mensch, wie wir alle- bis Josef zum Kapo
befördert wurde – eine Uniform anzog und von nun an die Leitungsfunktion in der Gruppe inne hatte. Von dem Tag an war
alles Menschliche von Josef gewichen- er wurde einer von den Peinigern und
entsprechend war auch sein diskriminierendes Verhalten. Das konnte so
geschehen, weil er nun Uniform und Macht besaß…
Josef wurde definitiv von seinem Verstand und der Macht
verführt…..und wo Macht ist, da ist kein Platz für Menschlichkeit.
Man lebte halt dort in einer anderen Welt mit anderen Gesetzen.
So lange wir leben, müssen wir uns entscheiden und wir
wissen, dass wir uns für das Gute entscheiden sollen. In dem Moment, in dem wir
herzlos sind, können wir verführt werden.“
Genau hier sehe ich die Wurzel allen Übels, denn Jehuda Bacon
hätte es nicht zutreffender formulieren können! In dem Moment der Herz- LOS-
igkeit, da greift der Verstand und fragt nicht mehr , ob etwas Recht oder
Unrecht ist. Der Grund: Die Gesetze der Verstandeswelt stehen absolut konträr
zu denen in der Herzenswelt.
Einem Verstand geht es ums Überleben, er bedient sich dabei bewährter
althergebrachter Konzepte, pocht auf Sicherheit und das in relativ nüchterner
schwarz- weiß- Ausgabe. Ich sag mal in kurz und knapp: Mit Emotionen braucht
man ihm nicht zu kommen- dazu ist Leben „in seinen Augen“ viel zu ernst! „Hey!“,
würde er rufen: „Es geht schließlich um
die Sicherstellung der Existenz.“
Hinsichtlich dessen ist es durchaus nachvollziehbar, warum
die Peiniger in Auschwitz so und nicht anders handelten, nicht anders handeln
konnten, denn ihre Umgebung hatte sie geformt. Sie wurden zum leibhaftigen
Aushängeschild der dort bestehenden verstandesmäßigen Ordnung und wollten sie überleben,
mussten sie sich ordnungsgemäß verhalten. Wie es allerdings tief drinnen in
ihnen ausschaute, das möchte ich mir gar nicht vorstellen.
Auch den Erziehern der Jugendanstalt in Freistatt ging es ähnlich. Das damalige System schrieb
halt vor, den Willen der Jugendlichen zu brechen, sie zu unmündigen Personen zu
formen. Wären diese Erzieher ihrem Herzen nah gewesen, sie hätten solch eine entwürdigende
Erziehung nicht befürwortet, denn sie erstickten die jungen Seelen.
Für mich wurde eine Frage irgendwann so wichtig, dass ich
sie niederschrieb und an der Wand
anbrachte:
„Warum tue ich, was
ich tue- kommt es aus dem Verstand oder kommt es aus dem Herzen?“
Animiert wurde ich halt durch das Wissen, dass auch ich ein „gebranntes
Kind“ war, das über einen viel zu langen Zeitraum mehr dem Verstandesmäßigen
folgte, als meinem Herzen, bzw, meiner inneren Stimme. Doch dann las ich etwas
sehr Wegweisendes:
Alles, was wir ohne Beteiligung des Herzens tun, ist im Grunde
sinnlos, denn es ist und bleibt nun mal „nur“ Sache des Verstandes. Diese
Handlungen sind so was wie ein Erbe unserer Vorfahren- künstliche erlernte
Konzepte, Strategien, Anleitungen, die aber mit uns als Mensch nichts zu tun
haben.
Ganz klar sag ich heute: Im Grunde wurden wir in der
Kindheit dazu angehalten, viele sinnlose Dinge zu tun, denn wir waren ja
durchweg im Verstand zu Hause. So wie ich war, wollte man mich nicht und was
blieb mir Anderes übrig, als ihren Bildern gerecht zu werden? Was hab ich nicht
alles unternommen- um zu gefallen, für ein bisschen Lob, um dazuzugehören….um
nicht zu enttäuschen, um Erwartungen zu erfüllen, um Harmonie aufrecht zu
erhalten- doch: Alles, was ich tat, bezog sich ständig auf die Reaktionen
meines Umfeldes. Was für mich gut war, das beachtete ich gar nicht.
Erst als ich in mir selbst heimisch wurde, den Verstand aus
seiner Herrschaft entließ, tat ich nur noch das, was sich innen drin stimmig
anfühlte. Nach so einem Sinneswandel kristallisiert sich diese ganze Tragik
heraus, denn dachten wir immer, wir müssten für Liebe, Anerkennung etwas tun,
sein oder haben…..NEIN, absolut nicht!
Seele sieht das völlig anders und signalisiert: Um geliebt
zu werden, müssen wir rein gar nichts tun, als nur wir selbst zu SEIN! Es würde
nicht dem Wesen der Liebe entsprechen, auch nur eine einzige Erwartung zu
stellen! Die wahre Liebe möchte sich ohne jede Bedingung verschenken.
Von daher dürfen wir uns ganz groß vor die Stirne schreiben:
Jeder ist gut und richtig so, wie er von Gott erschaffen
wurde und besitzt das uneingeschränkte Geburtsrecht, nach seinen Fähigkeiten,
Möglichkeiten, aber auch Begrenzungen sein Wohlfühlleben zu führen!
Hier muss ich einfach kurz innehalten, denn ich frage mich,
ob denn eine Gesellschaftsstruktur wie die unsrige das ebenso sieht!??? Heißt
es nicht: „Arm, alt und krank darfst du nicht werden“, sonst findest du dich
ganz rasch am Rande wieder!?? Somit stehen sich zwei Ansichten gegenüber-
welche hat denn nun Berechtigung?
Ganz einfach- es kommt nur drauf an, welche Richtung
verfolgt wird! Hat der Verstand das Sagen oder die Seele? Geht es um das Bild
eines Menschen, der sich über Leistung,
Wohlstand, Besitz definiert oder um den rein menschlichen Menschen, der auch
mal schwach, unperfekt sein darf, dafür aber ganz viel Herz hat?
Hier erinnere ich mich an eine Fernsehreportage, in der ein
Hotelbetrieb vorgestellt wurde- einer der anderen Art. Warum? Weil hier nämlich
ein buntes Gemisch an Angestellten zusammenarbeitet: Menschen ausländischer Herkunft,
Menschen mit und ohne Behinderungen. Hier wird nämlich der menschliche
Grundgedanke gelebt – hier bringt sich jeder mit dem ein, was ihm möglich ist-
und es klappt wunderbar.
An diesem Ort wird echte Menschlichkeit verkörpert- der
Leistungs- und Profitgedanke ist zweitrangig. Ich glaube, angesichts dieses
Beispiels ist nur ein bisschen Umdenken
angesagt und schon wird unsere Welt ein bisschen heller!
„Manchmal muss der
Mensch halt erst in den Krieg ziehen, um zu spüren, dass er den Krieg gar nicht
mag.“
Ich denke, genau diese „Kriegserfahrungen“ sind die
Herausforderungen der neuen Zeit….da fallen all die alten Verstandesgewänder
ab, die man uns in früher Zeit überstülpte und dann dürfen wir endlich von der
neuen Freiheit der Seelen sprechen.
Ja, ich spreche bewusst von Herausforderungen, denn wir sind
definitiv gefordert! Es geht schließlich darum, uns von der Herrschaft des
Verstandes zu befreien- endlich zu begreifen, dass verstandesmäßige Handlungen uns ins Nichts
führen, weil der Bezug zu unseren tiefen Seelenbedürfnissen fehlt.
Immanuel Kant prägte einen sehr aussagekräftigen Satz:
„Frieden ist ein
Meisterstück der Vernunft.“
Immanuel Kant
Vernünftig zu werden heißt für mich, unser Leben bewusst aus
einer anderen Perspektive zu sehen- nicht in der Haltung der
Selbstverurteilung, belastet mit Schuldgefühlen, sondern mit so viel
Verständnis und Liebe wie möglich. Dass man uns in der frühen Kindheit von uns
selbst abtrennte, dafür können wir nichts- doch wir sind heute in der Lage,
unser Leben neu in die Hand zu nehmen und alles dafür zu tun, dass wir uns
unsere Seelenkraft und Seelenschönheit zurück erobern und dem Verstand
höchstens die Rolle des Dieners zusprechen.
Immer und immer wieder geht es darum, dass wir endlich in
unseren Seelenfrieden finden, denn wollen wir ein erfülltes sinnvolles Leben
führen, dann wird das nur so möglich sein. Ich gehe sogar so weit, zu sagen:
Jede Begegnung sollte immer Begegnung auf Seelenebene sein!
Der Grund: Eine Seele besteht einfach „nur“ aus Liebe und
kann gar nicht anders, als liebevoll zu handeln . Da ist es dann völlig egal,
woher jemand kommt, was er kann oder nicht kann, welche Handycaps er hat, ob er
nun reich oder arm ist, dick, dünn oder sonst was. All diese Attribute zählen
für eine Seele nicht, denn sie bewertet nicht, weil sie weiß, dass jeder Mensch
in sich auch „nur“ Liebe trägt, dass wir eh alle miteinander verbunden sind.
Ich glaub auch nicht, dass ein Seelenmensch jemals in den Krieg ziehen könnte,
um Menschen zu töten- es würde ihm selbst weh tun.
Verständlich, wenn ich sage: Würden wir uns nur als Seelen
begegnen, dann würden schlagartig Frieden, Gerechtigkeit, Wahrhaftigkeit,
Toleranz in unser Weltgeschehen einziehen und jedes Machtgehabe, jedes Bühnenspiel
könnte sich verabschieden, wäre gar nicht mehr nötig! Dann wäre absolute
Authentizität an der Tagesordnung, weil jeder sich getrost so geben dürfte, wie
er nun mal ist, in dem Wissen, nichts an sich verändern zu müssen. Vor allen
Dingen würde sich jeder aufgrund der Echtheit im Anderen wiedererkennen!
Doch wie ich Gott so
einschätze, schenkt er uns noch einige heftige Aufwach- attacken, bis Menschen
zur Besinnung kommen und endlich die Richtung wechseln.
Gott braucht uns in menschlich – schließlich gab er uns
allen eine innere Schönheit mit- stattete uns aus mit Fähigkeiten, Talenten, gab
uns Sinne und Gefühle- und das gewiss nicht, um alles verkümmern zu lassen! Wir
sind doch keine Eisberge- wir sind einzigartige Seelen mit einer wunderschönen
Blühkraft und einem ganz eigenen Duft! In uns allen ist so viel Fülle
verborgen.
Nun sag ich aus meiner Wegerfahrung heraus: Zum Glück sorgt
jede Seele dafür, uns immer wieder daran zu erinnern, wenn wir ihr keine Heimat
sind, denn das ist ihr großes Ziel in diesem Leben! Wenn auch schmerzvoll,
stupst sie uns in bester Absicht an und bittet um die Wertschätzung unserer
Gefühle und inneren Wahrheiten.
Es kann nicht vorrangig um die Frage gehen: Wie
leistungsfähig, wie perfekt, wie machtvoll ist der Mensch- sondern es gilt,
Antwort auf die Frage zu finden: Wie viel Liebe und Persönlichkeit trägt der Mensch in sich?
Was uns trennt, das ist nur dieser Verstand mit seinem
völlig verdrehten Bild der Liebe und absolut falschen Wertvorstellungen, bzw.
Zielen.
Man hat uns in die Spur gedrängt- möglichst groß,
einflussreich, laut und mächtig zu erscheinen, vor „Selbstbewusstsein“ nur so
zu strotzen auf der Bühne des Alltäglichen……als Beweis, sein Leben voll im Griff
zu haben….allerdings, ohne uns wirklich unserer selbst- bewusst- zu- sein. Es
gibt nämlich keinen schwereren Prozess , als in seine dunklen Schluchten
hinabzusteigen, sich mit seinen Schatten zu konfrontieren, das innere Kind zu
umarmen – den Mut zu haben, sich zu
seinen Schwächen und Ungereimtheiten zu bekennen! Und je nackter wir werden,
umso schöner werden wir. Doch dieser Wahrheit werden wir auch heute noch
beraubt.
Ich weiß, warum alles
so schwer ist- denn kaum jemand wagt es, über seine wahren Empfindungen und
Sorgen zu sprechen, aus Angst, sich lächerlich zu machen, abgelehnt zu werden, nicht
verstanden zu werden. Dabei gibt’s nichts, was größere Freiheit schenkt. Erschwerend
kommt noch hinzu: Wir haben nie gelernt, über unser inneres Befinden zu
sprechen- unsere vielfältigen Gefühle zu erforschen. Wie denn auch, wenn uns
der Zugang verwehrt wurde? Aber das da drinnen, das sind leibhaftig wir selbst-
leibhaftiger und lebendiger können wir gar nicht sein! Da ist eine ganze Welt,
die auf Eroberung wartet- da ist unser wirkliches Daheim! Da drinnen, da wartet
die Liebe auf uns, in der Gemeinschaft mit
der Freude, dem Lachen, der Leichtigkeit, der Unbeschwertheit, der
Zufriedenheit. In uns, das wohnt das wahre Leben und nicht irgendwo im
Konsumland oder in der Leistungsabteilung.
Schade- traurig…..so! hat man es uns nie erzählt und damit einen riesigen Fehler
gemacht. Unser natürliches Menschsein wurde aufs Abstellgleis verfrachtet- und
alles , um den Verstand zu nähren, weil es sinnvoller schien, wenn die Aktien
hoch im Kurs stehen, als die gelebte Menschlichkeit.
Ich weiß nur- Seele wartet auf ihr Erblühen, denn wir sind
von Gott dazu berufen, Mensch zu sein!
*Linda*
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