Sonntag, 10. Juni 2018

Die vergessene Melodie unserer Seelen






Die vergessene Melodie unserer Seelen


Als was dürfen- nein, müssen wir das Leben eigentlich begreifen? Hugo von Hofmannsthal gab da eine konkrete Antwort, denn er bezeichnete das Leben als ein immerwährendes Wiederanfangen. Von daher ist Leben ständig in Bewegung- stimmt übrigens auch mit meinem Bild des Lebensflusses überein. Allein diese Vorstellung lässt mich die  Fragen stellen:

Warum ist das so? Warum können wir Leben nicht als eine durchgängige Laufbahn sehen, so wie im Sport? Da starten die Läufer, bewältigen in einem Lauf ihre vorgeschriebene Strecke und kommen am Ziel an. Wenn es nach Hugo von Hofmannsthal geht, dann gibt’s stattdessen im Leben unzählige Startpositionen, folglich ebenso viele Zielorte und glaubt man voller Freude, ein Ziel erreicht zu haben , geht’s auch schon wieder von vorne los!

 

Dazu meint Thomas Zerlauth:

 „Jedes Ergebnis ist gleichzeitig ein neuer Beginn.“

 

Nun gut, so ganz fremd sind mir diese Wahrheiten nicht mehr, denn irgendwann ging ich dazu über, mein Leben als eine Treppe mit unzähligen Stufen zu sehen. Ich begriff recht schnell: Es wird niemals möglich sein, auch nur eine einzige Stufe auszulassen oder der Bequemlichkeit halber statt der Treppe einen Fahrstuhl  zu nehmen, um rascher anzukommen. Diese Tatsache macht Leben zu dem, was es ist: ein ständiger Prozess des Wachsens und wir wachsen enorm- ein jeder auf seine Weise, in seinem ganz eigenen Tempo.

Für mich ist Leben

…… eine Reise vom Verstand ins Herz….

……eine Reise in unsere vergessene und vernachlässigte Innenwelt….

……..eine Reise vom „Nichts“ ins „Etwas“..

……eine Reise in unsere tiefsten Seelenwahrheiten…

…..eine Reise in ein völlig neues Bewusstsein und eine neue Dimension von Leben.

 

Klingt es  auch etwas hart, aber irgendwie kommt der Lebensverlauf einem kleinen Sterbeprozess gleich. Doch darin ist so viel Hoffnung, denn:  wohin sollten wir denn sterben, wenn nicht in ein viel schöneres  zufriedeneres „höheres“  Leben hinein? Es kann alles nur besser werden, denn längst bin ich zu der Ansicht gekommen:

Wir sensiblen, uns nach Liebe sehnenden MENSCHEN sind in dieser Welt völlig deplaziert und je länger wir uns in ihr aufhalten, ihren Maßstäben treu bleiben, umso mehr entfernen wir uns von uns selbst, bzw. vom eigentlichen Sinn des Lebens.

Ich denke, wenn wir Folgendes mit einbeziehen, dann wächst das Verständnis für den Sinn unseres Hierseins:

Wir sind weitaus mehr als unser Körper- auch mehr als unsere berufliche Stellung, unser Ansehen oder unser Geld! Wir sind hier, um uns als UNSTERBLICHE Seelen auf einer Erinnerungsreise zu begreifen….und allein dieser Umstand der Unsterblichkeit wirft ein völlig neues Licht auf den Sinn unseres Daseins! Unser aller Leben hier auf Erden ist begrenzt- ruft von daher eh  nicht dazu auf, dass wir uns mit dem Gedanken des ewigen Bleiberechts häuslich einrichten. Alles, was wir hier an Materiellem, an Status, Anerkennung usw. erwerben, ist der Vergänglichkeit geweiht- eher uninteressant, weil es um weitaus Wichtigeres geht!

Für mich ist Leben eher ein kurzer Gastbesuch auf dieser Erde, denn ich hielt mir vor Augen, wohin ich  als diese unsterbliche Seele unterwegs bin!

 

Hier passen folgende Worte recht gut:

 

„Obwohl wir Gott nie gesehen haben, sind wir wie Zugvögel, die an einem fremden Ort geboren, doch eine geheimnisvolle Unruhe empfinden, wenn der Winter naht, einen Ruf des Blutes, eine Sehnsucht nach der frühlingshaften Heimat, die sie nie gesehen haben und zu der sie aufbrechen, 
ohne zu wissen, wohin.“


Ernesto Cardenal


„Gott, du hast uns auf dich hin geschaffen, und unruhig ist unser Herz, bis es Ruhe findet in dir.“

Augustinus von Hippo


Es geht nämlich irgendwann wieder nach Haus, zurück in die Einheit, aus der wir kommen – eine Einheit, die voller Harmonie, Wärme, Liebe und Frieden ist- es sind halt unbeschreibliche himmlische Zustände. Wie formuliere ich es nur zu gern? Der Fluss will zurück zum Meer und diese tiefe Sehnsucht lässt unsere Seelen stetig unterwegs sein. Sie lassen sich durch rein gar nichts davon abbringen, dieses Ziel zu erreichen. Doch eine jede Seele weiß auch, dass sie hier auf Erden erst lernen muss, was sie sich vorgenommen hat- denn unsere Erdebene bietet die optimalen Voraussetzungen,  nur hier gibt’s die nötigen Kontraste des Dunklen, bzw. Hellen.

Schließlich möchte sich jede Seele daran zurückerinnern, wer- sie- denn wirklich ist und leider gehts nicht anders, als zuvor das zu durchleben, was sie nun so gar nicht ist! Ja, sie muss zuerst durch all das Dunkle, was so unsagbar schmerzt- doch ohne diese dunklen Erfahrungen  würde es keine Licht- bzw. Liebeserfahrung geben. Im Grunde ist Seele darauf hinaus, hier auf Erden ihr wahres Wesen zu erschaffen und das ist nun mal nichts Anderes als reine Liebe! Nur- der Weg in diese Erkenntnis, der will gegangen sein.



In einem meiner Bücher ist das Ganze sehr anschaulich dargelegt:

Der Autor benutzt das Bild der Musik und bezieht sich auf die Melodie, welche wir in unserer gängigen Welt wahrnehmen. Ich vermochte  nachzuvollziehen, was er meinte, denn hinsichtlich meines Erlebens stießen mir die schrillen gesellschaftlichen Töne immer schon bitter auf. Irgendwie vernahm ich eine Disharmonie, denn das, was ich hörte, wollte sich nicht mit dem vereinbaren lassen, was ich fühlte, was mir gut tat. Folge: Ich fühlte mich einfach nicht heimisch, denn die Klänge waren zu kalt, viel zu weit weg, stießen mir bitter auf- sie berührten meine Seele nicht. Meine Seele liebt nämlich von jeher die wohltuenden Klänge, die von Geborgenheit, Wärme, Mitgefühl, Verständnis, Frieden, Liebe, Wertschätzung, Achtsamkeit , Füreinanderdasein, Hilfsbereitschaft „singen“.

Doch keine Erfahrung ist bekanntlich umsonst, denn hätte ich diese weltliche „musikalische“ Disharmonie im Außen nicht vernommen- wie hätte ich Sehnsucht entwickeln können nach der Musik, die mich erfüllt? Und welchen Weg wählte ich, um diese Klänge zu erfahren? Mir wurde bewusst, dass es nur eine einzige Richtung gab: Ich musste mich in meine innere Welt begeben und wer hätte es gedacht? Hier fand ich all das, was ich seit Ewigkeiten im Außen vergeblich suchte!

IN MIR, da spielt/e genau die Musik, die ich als meine wohltuende Lebensmelodie bezeichne!
Es ist die Melodie meiner Seele und sie singt in den wärmsten Tönen!

Diese Melodie, das bin nämlich wirklich ich und nicht nur das! Jeder von uns trägt sie IN SICH- und das von Anbeginn an! Wir müssen uns nur wieder daran erinnern!

Die Welt da draußen, sie wird weiter musikalische Disharmonien erzeugen, denn so lange der Verstand auf dem Thron sitzt, wird sich daran nichts ändern. So lange Menschen der Ansicht sind, dass es hier im Leben um Besitz, Macht, Rechthaberei, Ruhm und Ehre geht, hat die Seele gar keine Möglichkeit, ihre Melodie erklingen zu lassen.




Doch wir dürfen von Glück sprechen, dass jede Seele enorm zielstrebig ist und sich nie und nimmer davon abbringen lassen wird, eines Tages in ihren musikalischen göttlichen Ausgangsmodus zurückzufinden. Eines Tages wird der Verstand abdanken und der Seele den Thronsitz zusprechen! Und ich glaube, dann wird unsere ganze Welt um ein Vielfaches heller, freundlicher, liebevoller!

Ja, irgendwie kommt es einem Erwachen gleich, denn wir werden uns verwundert fragen: Was hab ich da eigentlich ein Leben lang für eine schiefe Melodie geträllert, bzw. auch noch befürwortet?  Ständig war ich der Ansicht, ich müsse erst noch was tun/ sein/ haben, um der Liebe und Zuwendung wert zu sein!


Völliger Blödsinn- denn wir alle sind gut so, wie wir sind, denn so sind wir von Gott gewollt und geliebt! Und sowieso: Gefallen müssen wir nur IHM und uns selbst!



Ist es zu verstehen, dass ich alle Querelen des Lebens absolut positiv sehe? Wir sind nicht hier, um sinnlos zu leiden- oh nein! Wir brauchen all die Probleme, all den Schmerz, weil wir nur so in unsere wahre innere Größe wachsen können! Alle Krisen sind hilfreich, damit wir uns an unsere innere Schönheit zurückerinnern! Für die Seele ist die Erfahrungsreise eher etwas total Neutrales, denn sie weiß ja, warum sie diese oder jene Erfahrung braucht. Sie wird sich höchstens freudig sagen: Oh wie schön, ich darf wieder ein bisschen mehr über mich erfahren und wachsen.

Niemand von uns war oder ist jemals ein Opfer des Lebens- jeder ist eine Seele, welche erfahren möchte, wie schön sie eigentlich ist- dass sie pure Liebe ist und durchaus fähig, die wohltuende Sinfonie ihrer Seelenheimat nachzukomponieren.

Wie zu Beginn betont: Wenn wir uns als unsterbliche Seelen mit Sehnsucht nach der ewigen Heimat voller Harmonie und Frieden anerkennen, dann wird klar, was Seele schon  hier auf Erden an Heimatgefühl erfahren möchte: Harmonie, Frieden, Liebe, das Gefühl der Geborgenheit im Einssein.  Denn dann kann sie voller Freude sagen: Ja, das bin ich- das ist meine Lieblingslebenswohlfühlmelodie, nach deren Klängen ich mich so lange sehnte. Sie fühlen sich so nach daheim sein an!

Nun könnte man sagen: Was ist denn das für ein sentimentaler Blödsinn- doch ich bin fest davon überzeugt:

Gott legte in uns alle eine Spur der Sehnsucht hinein, die uns halt unterwegs sein lässt und das ist ein unsagbares Glück! Wir müssen nur still werden und uns fragen: Wann fühlen wir uns eigentlich am lebendigsten? Wann spüren wir so etwas wie  seelisches Glück? Davon ab: Kann es sein, dass wir erst wieder lernen müssen, was seelisches Glücksempfinden ausmacht? Und das ist eigentlich gar nicht so schwer zu ermitteln, denn es stellt sich ein, wenn es sich innendrin angenehm stimmig und freudevoll ANFÜHLT!



Hier komm ich wieder nicht drum herum, meine „jugendliche Erfahrung“ anzuführen: meine erste Begegnung mit dem Meer! Allein stand ich da am Strand und konnte mich nicht sattsehen (fühlen) an der unendlichen Weite- an diesem immensen Naturschauspiel, das mich in das Empfinden führte, nur ein klitzekleiner Punkt von etwas ganz ganz Großem- Unerforschlichen zu sein! Da hab ich mich wahrlich lebendig und glücklich gefühlt….denn ich tauchte nicht mit dem Verstand, sondern mit meiner Seele in dieses tiefe Erleben hinein. Es muss mir wohl in diesen Momenten ein Stückchen Heimatgefühl vermittelt haben.

Wo sind wir wirklich zu Hause? Diese Frage stellte ich mir danach mehr als einmal und mehr als einmal schüttelte ich den Kopf, wenn ich mir anhörte, was die gängige Welt uns dazu erzählte! Kann ich denn daheim sein im begehbaren Kleiderschrank, in einer pompösen Luxusvilla oder auf dem Aktienmarkt? Finde ich meine Heimat im Schulterklopfen Anderer oder gar im grellen Scheinwerferlicht der perfekten Bühnenpräsenz? Fakt ist: Dort wird nur einer sich Zuhause fühlen und das ist der Verstand!

Ich für meine Person bin nur dort daheim, wo meine Seele sich vor Wohlgefühl räkelt, wo sie die Möglichkeit erhält, sich den vertrauten Klängen ihrer individuellen Heimatmelodie hinzugeben und wo ich einen Platz finde, an dem ich „einfach“ sein darf.

Übrigens gefällt mir eine Aussage sehr gut:

„Jede Seele ist die reinste Existenzform unserer selbst, die man sich nur vorstellen kann.“

Von daher gibt es für mich im Leben kein höheres Reiseziel, als in diese Existenzform zurückzufinden….und ich denke, das lässt uns unterwegs sein, ob bewusst oder unbewusst.

*Linda*

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