Sonntag, 6. November 2016

Wer lehrt uns, was es heißt, zu lieben?








Wer lehrt uns, was es heißt, zu lieben?


Es war wieder einmal ein Song im Radio, der mich aufhorchen ließ, weil der Sänger darin eine ganz besondere Frage stellte: “Wer lehrt mich, was es heißt zu lieben?“ Ja, kam es mir spontan in den Sinn- es ist keineswegs abwegig, sich damit auseinander zu setzen. Ehrlich gesagt und gesehen- hat uns niemals jemand so richtig erklärt, was es mit dem Wesen dieser wahren Liebe so auf sich hat. Vieles hat sie über sich ergehen lassen müssen- Verdrehungen, völlig falsche Bilder und Vorstellungen. Sie wurde in irgendwelche  Schubladen gesteckt, doch ihrem wahren Wert wurde kaum entsprochen. Vor allen Dingen nahmen wir die Vorstellung in uns auf, dass Liebe immer etwas mit der Erfüllung gewisser Bedingungen zu tun hat. Die Ursache – sie finden wir in der frühen Zeit.

Ich gehe zurück in  die Kindheit- sehe Kinder, welche von Natur aus in einem Abhängigkeitsverhältnis zu ihren Erziehern stehen. Es sind Kinder mit dem Bedürfnis, sich in den Augen eines wohlwollenden Erwachsenen spiegeln zu können- um zu erkennen, wer sie überhaupt sind. Hinzu kommt eine Palette von Grundbedürfnissen: Ein Kind will ernst genommen werden, sich als rundum liebenswert empfinden, gesehen, verstanden, umsorgt werden und möchte sich auf die Liebe der Eltern zu jeder Zeit verlassen können. Nur so kann es ihm gelingen, Vertrauen ins Leben, in die Menschen und vor allen Dingen zu sich selbst zu entwickeln.
Auch wenn es ein Kind nicht so in Worte fassen kann, aber sein innigster Wunsch ist es-  bedingungslos angenommen zu werden, sich geliebt zu fühlen!

So und nun kommt der eine ausschlaggebende Punkt:

Für dieses Gefühl tut es alles, es gibt sogar sein wahres Selbst auf, um „ihren“ Wunschbildern, Vorstellungen gerecht zu werden- denn dann lockt die  ersehnte Liebe!  Doch mit dem Verlust des wahren Selbst verliert der kleine Mensch den Zugang zu seinen wahren Gefühlen, Bedürfnissen und Wünschen. Er lebt ein sozusagen künstlich erzeugtes ICH und das so „gut“, dass er später annimmt, es sei sein wahres Selbst.  

Ich schließe mich davon nicht aus, denn auch ich habe es einst so gelernt! Bei uns war zum Beispiel das „immer nett und lieb sein“ der Renner! Zwar verschonte man mich mit dem „artigen“ Händchen oder dem Knicks der Ergebenheit- doch ich verstand sehr rasch, dass ein ständig gehorsames angepasstes Verhalten mir „Liebe“ versprach! Ein „Nein“ war nicht drin- das erzeugte spontan ein ernstes Gesicht bei meinen Erziehern! Nur das Fatale war ja- das Verhalten beschränkte sich nicht nur auf die Kindheit- es wurde zu meinem ständigen Begleiter im weiteren Leben, beeinflusste jeden Lebensbereich! Im Grunde- man muss es einfach so sehen- spielte ich aber  über eine lange Zeit, wenn auch unbewusst, nur eine erlernte Rolle- es war ein Theaterspiel! Denn das, was ich tat, wie ich mich gab- das entsprach nicht meinem tiefsten Wesen, den wahren Bedürfnissen- sondern war Frucht des Erlernten!

Es mag nur meine Ansicht sein- doch für mich gibt es trotz unseres erwachsenen Seins, trotz der großen Zeitspanne  keine größere Aufgabe zu erfüllen, als dass wir uns diese Geschehnisse der frühen Zeit bewusst vor Augen führen. Was ist da damals geschehen, das im Stande war, uns von uns selbst zu entfremden?

Was passiert nämlich,  wenn ich etwas lebe, was ich nicht bin?

Ganz klar rebelliert es in mir- da ist stille Wut, stille Aggression, denn ich stehe im Kampf mit meiner wahren Natur- meinen wahren Bedürfnissen, tiefsten Gefühlen! Und das soll nicht krank, unzufrieden, unglücklich machen?

Dann laufen wir im Außen herum, sind  perfekt,  angepasst, so voller Selbstkontrolle, leistungsstark,   aufopferungsvoll und vieles andere mehr, weil uns niemals jemand sagte: Lausche mal in dich hinein- was sich da wirklich meldet! Fühle mal, was es da an „Anti- Gefühlen“ zu fühlen gibt!
Da ist nämlich ein kleines verletztes Kind in dir- das sich vor lauter Verzweiflung und durch dem Wunsch nach Liebe von sich selbst entfernte- seine Seelentüren abschloss und Abschied nahm von seinem wahren Wesen! Aber es ist kein glückliches Kind- es ist voller Enttäuschung, Zorn, Anklage, Traurigkeit,  weil es ihm untersagt war, so sein zu dürfen, wie es wirklich ist und wie es wirklich fühlt!

Ich denke, der folgende Text zeigt extrem gut auf, wie wesentlich und unerlässlich es ist, in der Kindheit diese starken Wurzeln und Flügel zu erhalten und was geschieht, wenn es nicht gewährleistet ist:


Wenn ein Kind…
 
Wenn ein Kind kritisiert wird,
lernt es zu verurteilen.
 
Wenn ein Kind angefeindet wird,
lernt es zu kämpfen.
Wenn ein Kind verspottet wird,
lernt es, schüchtern zu sein.
 
Wenn ein Kind beschämt wird,
lernt es, sich schuldig zu fühlen.
 
Wenn ein Kind verstanden und toleriert wird,
lernt es, geduldig zu sein.
 
Wenn ein Kind ermutigt wird,
lernt es, sich selbst zu vertrauen.
Wenn ein Kind gelobt wird,
lernt es, sich selbst zu schätzen.
 
Wenn ein Kind gerecht behandelt wird,
lernt es, gerecht zu sein.
Wenn ein Kind geborgen lebt,
lernt es zu vertrauen.
Wenn ein Kind anerkannt wird,
lernt es, sich selbst zu mögen.
Wenn ein Kind in Freundschaft aufgenommen wird,
lernt es, in der Welt Liebe zu finden.
 
(Text über dem Eingang einer tibetischen Schule)



Ich wehre mich immer ein wenig, wenn ich auf Menschen treffe, die der Meinung sind, dass man doch im Erwachsenalter über den schmerzerfüllten Erfahrungen der Kindheit stehen müsse! Ich traf auf genügend Personen, um sagen zu können, das das, was damals an Seelenverletzungen geschah- für alle Zeit seine Spuren auf der Seele hinterlässt.

Kinder, die gewalttätige Eltern erlebten, Kinder- die Missbrauch über sich ergehen lassen mussten- Kinder, die  Ablehnung erfuhren….sie verloren das Vertrauen in sich und auch ins Leben. Über diese Erfahrungen wächst kein Gras – da ist innen drin etwas zerbrochen! Ein Kind, das täglich mit Schläge aufwächst, hat noch nicht das Bewusstsein, dass Vater/ Mutter  aus eigener Unzufriedenheit handeln- es bezieht diese Art von „Zuwendung“ auf sich und seinen Wert– fühlt sich spontan wertlos und nimmt das Gefühl mit in sein Leben- in sämtliche Lebensbereiche!

Doch es muss nicht immer mit körperlichem Schmerz einhergehen.

 Ein Kind, das keinerlei emotionale Zuwendung findet- nur mit materiellen Gütern abgespeist wird- das schreit innerlich auf, denn es wünscht sich nichts mehr, als  Geborgenheit, Wärme zu erfahren! Wird dieses Kind jemals Wärme weiter geben können- geschweige denn wissen, was es heißt, aus ganzem Herzen zu lieben?
Was geschieht, wenn Kinder überidealisiert werden- dem Druck ausgesetzt sind, z.B. leistungsmäßig den Erwartungen der Eltern zu entsprechen und somit in die Spur der ständigen Perfektion geraten?

Das Fatale ist ja, dass ein Kind das, was die Eltern vorleben, erwarten als eine absolut gültige Wahrheit annimmt und wie schon betont: die elterliche positive Zuwendung steht über allem!


Hinsichtlich all dieser Erkenntnisse sehe ich dann die Frage des Sängers:


„Wer lehrt uns dann, was es heißt, zu lieben?“

....als eine ganz normale Folgeerscheinung an. Wir können doch gar nicht wissen, was es wirklich heißt zu lieben, weil ja unsere Seelentüren zumeist seit frühester Zeit verschlossen sind! Doch wollen wir die wahre Liebe erfahren- dann finden wir sie nur hinter diesen Türen, in uns selbst! Ein Verstand, er weiß nicht, was Liebe wirklich ist! Er erzählt uns stattdessen ständig, dass wir für die Liebe etwas tun müssen, etwas sein müssen, dass wir sie uns erst verdienen müssen- so, als sei die Liebe ein Handelsunternehmen  voller Bedingungen!

Doch die Liebe ist ein Seinszustand- sie lebt aus sich heraus und ich sags mal überspitzt: weil sie einfach Freude daran hat, sich verschenken zu dürfen! Aber frei will sie sein!

Wer könnte es anschaulicher verkörpern als jedes unverformte kleine Wesen? Da sprudelt die Quelle der Liebe von ganz allein und wer die Antwort sucht auf die Frage:
„Wer lehrt uns, was es heißt zu lieben?“- der möge sich von einem Kind belehren lassen!

Ein Kind ist:

reine Liebe, Staunen, Neugierde, Offenheit, Optimismus, Einzigartigkeit, Lebensfreude, purer Gefühlsausdruck,, Sensibilität, Zärtlichkeit, Sanftheit, Vertrauen, Natürlichkeit!


Nimm ein Kind an die Hand und lass dich von
ihm führen. Betrachte die Steine, die es
aufhebt und höre zu, was es dir erzählt. Zur
Belohnung zeigt es dir eine Welt, die du
längst vergessen hast.

Von unbekannt

Aber- auch wir als Erwachsene sind:

reine Liebe, Staunen, Neugierde, Offenheit, Optimismus,  Einzigartigkeit, Lebensfreude, purer Gefühlsausdruck,, Sensibilität, Zärtlichkeit, Sanftheit, Vertrauen, Natürlichkeit


……wenn es uns gelingt, diese vergessene Welt wieder zu erschließen.


Die wahre Liebe fängt immer  bei uns selbst an- mit dem Öffnen des Herzens, der Seele, wie auch immer! Ich glaube, wir spüren es selbst, dass es nur der Verstand ist, der davon abhält, diesen Weg zu gehen!

Gemäß meiner imaginären Bilder, die ich so male, hatte ich irgendwann eine Schale vor Augen- meine Schale, die jeden Tag aufs Neue mit der Liebe zu mir selbst gefüllt werden möchte! Da ist mein Potential, das ausgelebt wird- da ist die Achtsamkeit den kleinen Glücksmomenten gegenüber- da ist die Zuwendung für mein inneres Kind- da ist auch die Stille, in der ich ganz bei mir bin- in guten, aber auch in schlechten Zeiten! Ja, ich lernte irgendwann mitten im Schmerz stehen zu bleiben und alles zu fühlen, weil ich wusste- ich tu es aus Liebe zu meinem verletzten inneren Kind! Und diese Haltung sollte über allem stehen- denn wir werden nur dann in die Heilung finden, wenn wir den Weg gemeinsam mit ihm beschreiten, wenn wir ihm jetzt Tag für Tag  all das schenken, was wir ihm damals nicht geben konnten.
´

Mein Kind

Ich nehme mein Kind an die Hand.
Mit großen Augen sieht es mich an.

„Lass uns das Spiel des Lebens spielen, ja?“
„Ja, sage ich.“

Und tanze durch den Himmel,
bemale graue Mauern-
baue riesige Sandburgen-
vergesse gestern.

Freue mich auf morgen,
lasse mich fallen ins Leben

und lache aus vollem Herzen
mit meinem Kind
an meiner Hand.

Ina Mahe



Hinsichtlich meiner Selbstbeschreibungen ist längst klar geworden, dass ich meine ganz eigenen Prioritäten setze- völlig unabhängig von all der Berieselung durch Medien oder dergleichen. Man kann auch gar nicht mehr anders, wenn man einmal die Tür in dieses andere Leben durchschritten hat. Plötzlich fällt es wie ein Schleier von den Augen, weil man begreift, dass das wahre Lebensgefühl zum Fokus eigentlich „nur“ das Wohlgefühl der Seele hat und allein das bestimmt mein Leben!

Vorgestern hatte ich die Freude, wieder dem „Mann mit Hund im Wald“- nein im Fernsehen zu begegnen. Klar hat er mit seiner so anderen Lebensform mein Interesse geweckt und ohne Frage schaut man schon etwas genauer hin- ob denn das, was er da lebt, wirklich aus voller Überzeugung geschieht! Ja, er lebt sich voll und ganz und ihm gehört viel Respekt von meiner Seite! Was ich so schön fand: er spricht davon, nach seinem stressigen Leben inklusive „Burn-Out“  nun so etwas wie sein Paradies gefunden zu haben. Da schwingt sehr viel Dankbarkeit in seinen Worten mit!

Wir hören so oft von der Sehnsucht des Menschen nach diesem Paradies oder Himmel auf Erden, aber ich glaube, uns war nie so richtig bewusst, dass man für so ein paradiesisches Gefühl – ich sag mal lapidar: „verdammt“ wenig benötigt! Der Mann im Wald lebt so einfach- ich sah kein Auto, keinen Fernseher, geschweige denn ein Handy oder sonst was Gängiges- seine Lebensweise erinnerte mich eher an die Naturvölker. Stundenlang verbrachte er damit, seine Mahlzeit in der Natur zusammen zu suchen- später wurde sie über der Feuerstelle zubereitet! Doch er ist glücklich so und er lebt etwas, das wir hier gar nicht mehr kennen: totale Entschleunigung! Ohne Frage ist er in jeder Minute ganz bei sich selbst und ich denke, diesen Zustand will er gar nicht mehr missen- nach so viel stressigem Vorbeileben!

Nun, ich weiß, sein „natürlicher“ Lebensstil ist nicht jedermanns Sache- ich würde mich auch schwer tun, aber dennoch war es für mich wieder mal Bestätigung, dass die innere Zufriedenheit gewiss nichts mit dem zu tun hat, was man uns ständig weismachen bzw. aufquatschen will!

Ich vermag nur immer wieder die Kinder als lebendiges Vorbild zu benennen. Was braucht so ein Kind, um rundum glücklich zu sein?

Brauchen wir Erwachsene denn wirklich  mehr?


©*Linda*

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