Wenn der Schatz aus Erfahrung besteht…
Was macht eine Frau wie ich mit einem recht umfangreichen Schatz
an Erfahrungen? Ich hüte ihn als eine unendlich große Kostbarkeit mit dem
Wissen: Ohne dieses Wechselspiel der Höhen und Tiefen, dieses hautnahe Durchleben
der schmerzlichsten Situationen wäre es mir doch nie möglich gewesen, auf der
Treppe des Bewusstseins Stufe um Stufe zu erklimmen! Und hätte ich mich mit der
besten Fachliteratur eingedeckt, Leben betreffend- nichts davon wäre auch nur
annähernd so fruchtbar gewesen wie halt das persönliche Erspüren! Von daher hab
ich niemals mit Neid auf jene geschaut, denen scheinbar ein leichtes Leben
beschieden war- sondern verbeugte mich irgendwann dankbar , dass es mir
vergönnt war, genau dieses Leben erleben zu dürfen! Denn eines ist Fakt: nichts
davon hat es jemals „geschafft“, mich zu einem verbitterten Menschen werden zu
lassen- im Gegenteil, je größer der Schatz an Erfahrungen wurde- umso offener
und zuversichtlicher wurde ich!
Und ich denke, nur darauf kommt es an, denn um Leben wirklich zu
erfahren, bedarf es des Schmerzes- sonst ist es nicht Leben! Jeder Baum freundet sich wie
selbstverständlich mit den Erscheinungsformen der wechselnden Jahreszeiten an-
warum soll es beim Menschen anders sein?
Immer und immer wieder geht es um dieses JA zum natürlichen
Zyklus des Lebens- denn wo Leben ist, muss auch das Sterben sein- wo das
Erblühen ist, bedarf es auch der kargen Zeiten!
Das Weizenkorn muss sterben
Wenn ein Weizenkorn sich verstecken würde,
nicht gesät werden wollte,
sein Leben zu retten versuchte
vor der Finsternis des Bodens:
Es würde nie sprießen können,
nie einen Halm und wieder Körner bilden,
es würde nie geerntet,
zu Mehl vermahlen
und zu Brot gebacken werden;
es würde nie Hunger stillen,
Leben erhalten,
Freude schenken.
Vera Simon
Ja, ich habs oft betont- mit wachsendem Bewusstsein fiel von mir
eine immense Last ab, weil mir einfach klar wurde: Auch ich wurde wie wir
alle als ( göttlicher) Same geboren,
zunächst beheimatet in der dunklen Erde.
Ich hatte die Aufgabe, nach und nach mit
aller Kraft dem Dunklen zu entsagen ,
Richtung Tageslicht emporzuwachsen und mich als das zu erkennen, was ich meinen
individuellen, von Gott geschenkten Blühstatus nenne!
„Über raue Pfade zu den Sternen“
Seneca
Können wir diesem Prozess entsagen? Nein, denn genau das ist
unsere Aufgabe hier auf Erden- darum sind wir hier! Einen anderen Grund gibt es
nicht! Ich denke, nun wird plausibel,
warum ich sogar den schmerzlichsten Erfahrungen so positiv gegenüber stehe- warum
sie für mich einem Geschenkkorb mit bunten Schleifen gleichkommen! Wo hätte ich
als dieses Samenkorn sonst die nötige Kraft herbekommen, um mich aus der
dunklen Erde zu befreien? Es ist doch der Schmerz, der uns wachsen lässt! Jede
Entbehrung, Enttäuschung, Niederlage, auch Krankheiten, Verletzungen schenken
uns im Grunde immer neues Wachstum, neue Erkenntnisse, neue starke Wurzeln für
unseren Lebensbaum. Wünschen wir uns eine leuchtende ausschweifende Krone der
Freude, des Friedens, der Liebe, der Leichtigkeit, der Erfüllung, muss auch das
Wurzelwerk entsprechend ausgebildet sein!
Und wenn das Tal noch so tief,
das Dunkel
noch so finster,
die Leere ringsum
noch so lautlos,
die Stützen noch so brüchig.
Es gibt keinen noch so ungangbaren Pfad,
der nicht ein Weg wäre,
der zum Ziel führt,
wo wieder Helle herrscht,
die Furcht keine Gewalt mehr hat,
die Tränen trocknen,
der Schrecken ein Ende findet.
Vera Simon
Die heutigen Trostsprüche entnahm ich dem Buch „Kopf hoch“- ein
Geschenk, das ich vor Jahren erhielt, in einer Phase, in der es mir sehr schwer
fiel, meinen Kopf hochhalten zu können. Da suchte ich sehr oft nach den
berüchtigten Strohhalmen, die mir etwas Halt versprachen. Es gibt einfach
Zeiten im Leben, da scheint sich alles gegen einen verschworen zu haben und wie
oft sagte ich: Ich hab ein Gefühl, als würde ich mich im Zustand der Starre
befinden. Man scheint auf der Stelle zu treten und möchte so gern weiter gehen- doch es kommt kein
Impuls! Ich denke, auch diese Verzögerungen wollen angenommen sein- sie
schenkten mir das Maß an Geduld und das Wissen, dass es niemals nach dem geht,
was ich mir so vorstelle. Ja, in solchen Phasen entwickelt sich so etwas wie
Achtung vor dem Leben.
„Ein Mensch sieht in die Zeit zurück
und sieht: sein Unglück war sein Glück!“
Eugen Roth
Es wird weitergehen- denn Leben ist immer in Bewegung, das
dürfen wir nicht vergessen- doch manche Dinge brauchen und haben ihre ganz
eigene (Wachstums-) Zeit.
Mir hat es in solchen Phasen ungemein geholfen, mich zurück zu
lehnen und auf das zu schauen, was sich an Lebensmosaik bereits zusammengesetzt
hatte. Erkannte ich nicht immer und immer wieder diese geheimnisvolle Ordnung
in der Anordnung der einzelnen „Steinchen“? Nichts davon hätte jemals anders
sein dürfen, anders verlaufen dürfen! Eins baute auf das Andere auf, auch wenn
mir das Prinzip, wenn ich so mitten drin steckte- nicht bewusst war! Doch ich bin der festen
Überzeugung, dass wir später, wenn wir in der Vogelperspektive auf des Berges
Gipfel stehen, genau das erkennen werden: ein Bild von Leben, das vollkommener
nicht sein kann und dann wird unser Anliegen die tiefe dankbare Verbeugung vor
dem Leben sein!
Von daher berührte mich folgender Spruch sehr:
„Irgendwann, da hat man nur noch Ahnungen von positiven
Ereignissen!“
Nein, das heißt jetzt nicht, dass der Schmerz sich für alle Zeit
verabschiedet und wir auf der Wolke Sieben schweben- doch es wird möglich,
sogar das, was weh tut, als etwas Gutes zu sehen, weil unser Lebensbild nach
Vervollständigung ruft- oder so wie ich es betrachte: der Seelenplan nach
Erfüllung ruft!
Sich mit heiterer Gelassenheit
in sein Schicksal fügen-
wäre das nicht der Gipfelpunkt
der Lebenskunst?
Werner Mitsch
All dies schreibt eine Frau, die sehr viel Schmerz erfahren hat-
doch ich hab ihn mittlerweile in Liebe und ins Vertrauen zum Leben umgewandelt,
weil ich lernte, auf seinen Wellen zu reiten und seine Magie anzuerkennen. Leben ist und bleibt ein ewiges
Geheimnis ( aber ein sehr schönes!!!)
und wenn wir das annehmen können, dann sind wir auf dem richtigen Wege,
trotz manch geweinter Träne in dunklen Stunden!
©*Linda*
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