Freitag, 19. Juli 2019

Liebe wird durch Schmerz geboren







Liebe wird durch Schmerz geboren


Ich erinnere mich sehr gern an einen Ausspruch von Chiara Lubich, den ich vor Jahren entdeckte. Durch ihn wurde mir klar, warum interessanterweise jene Menschen, die am meisten gelitten hatten- das größte Maß an Menschlichkeit und Herzensliebe aufzeigten. Wann immer ich Ausschau hielt nach  sensiblen, toleranten, verständnisvollen, hilfsbereiten, mitfühlenden Menschen- ich fand sie dort, wo  Traurigkeit, Armut, Entbehrung, Verletzung, Enttäuschung Bestandteil ihres Daseins waren.  Ja, es musste so sein, wie Chiara Lubich es beschrieb: Der Schmerz des Menschen wandelt sich letztendlich in Liebe um.



„Der Durchmesser einer Baumkrone
entspricht oft dem Durchmesser der Wurzeln.
Die Liebe eines Menschen entspricht dem Schmerz,
den er erlitten und in Liebe umgewandelt hat.“

Chiara Lubich

Eigentlich  ein Unding- denn gerade jene, die es zumeist von Kindheit an sehr hart getroffen hatte, brachten es dennoch fertig-  ihre Hände, ihre Ohren, ihr Herz für die Sorgen  ihrer Mitmenschen zu öffnen. Ich wollte natürlich wissen, wie das sein kann und kam zu dem Schluss: Wer tief in der Seele spüren musste,  wie es sich anfühlt- abgelehnt, unterdrückt, misshandelt, ausgelacht, erniedrigt, , für ungenügend erklärt  zu werden ungeliebt zu sein - der vermag sich später  in jene hineinzuversetzen, denen ein ähnliches Schicksal beschert war. Ist ja so- nur was der Mensch hautnah durchlebt hat, vermag er nachzuvollziehen.

 „Hast du auch den Schmerz gespürt, den ich  spürte? Kennst du die grenzenlose Traurigkeit und Enttäuschung, niemals genug Zärtlichkeit, Zuwendung, Anerkennung bekommen zu haben?“

Da sind Narben auf der Seele entstanden, die sich für alle Zeit einbrannten.

So ging ich irgendwann dazu über, von der Gruppe der früh zerbrochenen Menschen zu sprechen- eindeutig eine Spezies für sich, aber eine ganz besondere!

Mittlerweile durfte ich noch einen Schritt der Erkenntnis weitergehen und sage heute:

Diese Menschen- in ihrer, wie selbstverständlich gelebten Zuwendung zum Anderen-  haben im Grunde ein großes Lebensziel schon erreicht! Schließlich sind wir hier auf Erden, um unsere Liebesfähigkeit zurück zu gewinnen.


Liebesfähig zu werden ist das Ziel unseres Lebens.
(Dorothee Sölle)
Wenn uns das Leben in seinem unerklärlichen Auf und Ab 1000 Fragen nach dem „Warum“ der Geschehnisse stellt, dann lautet die Antwort IMMER: Es geht allein um die Liebe. Etwas Anderes gibt es hier nicht zu tun. Wir dürfen lernen, uns selbst wieder aus ganzer Seele lieb zu haben, um so fähig zu werden, Liebe nach Außen zu verschenken.




Alles wurde geschaffen als Geschenk der Liebe für mich.
Ich wurde geschaffen als ein Geschenk für die anderen.




Gut, man könnte recht vehement dagegen argumentieren, weil uns doch etwas  Anderes vermittelt wurde! Sind wir denn nicht hier, um zu leisten, Geld anzuhäufen und unser Ansehen aufzupolieren?

 Sind wir denn nicht in dem Glauben aufgewachsen, dass es darum geht, sich möglichst kraftvoll gegen andere durchzusetzen- sich auf das dickste Stück vom Kuchen zu konzentrieren- egal, was es an fiesem Konkurrenzkampf mit sich bringt? Und nun soll es auf einmal so sein, dass einer für den Anderen ein Geschenk darstellt?

So sagt es vielleicht die Welt- aber wir sollten uns mal an Gott wenden und hinterfragen, was er sich von seinen Menschen wünscht. Für Gott steht allein die Liebe im Fokus.


Ja, ziemlich gegensätzlich das Ganze, doch uns sollte bewusst sein, wer auf dieser Welt   das alleinige Sagen hat. Es ist und bleibt Gott- bis zum letzten Tage und wenn wir ihm irgendwann gegenüber stehen, dann wird die Frage nach der Umsetzung unserer Liebesfähigkeit extrem relevant sein. Wissen wir eigentlich, worum es weiterhin geht? Lapidar gesagt, haben wir hier auf Erden die einzigartige Chance,  die Eintrittskarte in den Himmel zu erwerben, um für alle Ewigkeit mit Gott zusammen sein zu dürfen.


Gott hat ja nicht ohne Grund darum gebeten:

 „Sammelt bitte keine Schätze auf Erden, die eh verderben und vergänglich sind. Konzentriert euch darauf, das zu sammeln und zu hüten, was „himmelstauglich“ ist.“




Anfänglich wies ich darauf hin, dass die früh zerbrochenen Menschen mit ihrer gewachsenen Liebesfähigkeit im Grunde schon ein Ziel des Lebens erreichten. Irgendwann führte ich mir vor Augen: So schmerzhaft das Leben  auch gewesen sein mag….können wir heute- angesichts der göttlichen Vorstellungen- nicht sogar dankbar sein? Wir wissen schließlich schon, was es heißt, ein liebevolles Miteinander zu verwirklichen. Wir wissen, dass der wahre Reichtum des Lebens darin besteht, sich verstanden, gehört und geliebt zu fühlen.



Kein Geschenk mag eine Menschenseele mehr zu erfreuen als Verständnis.
(Elisabeth Hable)


Hinzu kommt: Diese Welt befindet sich zur Zeit in einem gravierenden Wandel,  der eindeutig darauf abzielt, dass wieder Frieden, Gerechtigkeit und Liebe einziehen.
Gott ist voll in Aktion und wird sich von seinem Vorhaben nicht mehr abbringen lassen. Er wird alles Disharmonische so lange durchrütteln und durchschütteln, bis es seiner Vorstellung von Harmonie und Ordnung entspricht. Alles Unechte, Unreine wird einem Reinigungsprozess unterzogen, denn für Gott ist nichts so wichtig wie die Wahrheit:



die Wahrheit über uns selbst-

die Wahrheit in unseren Beziehungen-

die Wahrheit über unser Leben.

Es kann für uns gar nichts Besseres geben- denn wenn Gott sein Werk beendet hat, werden wir froh sein, endlich das Leben führen zu können, das unseren tiefen menschlichen Bedürfnissen entspricht. Unsere Seelen schreien förmlich nach Erlösung und Wahrheit.


Warum sonst schenkt Gott uns gerade in dieser Zeit ein neues Bewusstsein , bzw., ein neues Herz? Warum ist in der Bibel die Rede davon, dass der neue Mensch geboren werden muss?  Es kann doch nur damit zusammenhängen, dass uns allen endlich klar wird, warum wir eigentlich leben:

Zu sein, was wir wirklich sind, und zu werden, wozu wir fähig sind, ist das einzige Ziel des Lebens.

(Robert Lois Balfour Stevenson)


Eines der tollsten Abenteuer, die wir auf dieser Welt haben können:
sich selbst zu begegnen.

(Wolfgang Borchert)


3. Teil
Hier fällt mir ein Gedicht ein, das recht gut veranschaulicht, was es heißt, als neuer Mensch wiedergeboren zu werden:
Leergut

„Das leere Leben abgeben
wie eine Pfandflasche
und eintauschen
gegen ein gefülltes Leben..

Den Deckel abschrauben
den Inhalt ausgießen….

ein ganz neues Ich einfüllen
ein neues Etikett draufkleben
und ganz neu anfangen.“

Von unbekannt

Nur- so einfach, wie es  sich liest, ist es leider nicht. Mal eben so das alte Leben gegen ein neues eintauschen- wird nicht gehen. Schließlich müssen ja die alten Verstandesschalen nach und nach abfallen und so ein Prozess ist verständlicherweise von Schmerz begleitet. Aber das Ganze ist halb so schlimm, wenn wir wissen, dass jeder Schmerz uns hilft, endlich der Mensch zu werden, der wir wirklich sind. Ich weiß noch zu gut, wie sehr ich früher die Menschen anklagte, die mich verletzten, bis ich begriff:

Eigentlich durfte ich ihnen im Nachhinein sogar noch dankbar sein, denn nichts ließ mich schneller wachsen als diese Verletzungen. Im Grunde kommt  jeder Mensch mit einer sehr wertvollen Aufgabe in unser Leben: damit wir lernen, ein bedingungsloses JA zu uns selbst zu sagen und zunehmend innere Stärke zu entwickeln.

Hier passt ein Spruch sehr gut:


„Kommt ein Schmerz,
dann halte still
und höre, was er dir sagen will.“


…..denn so ein Schmerz ruft immer nach Veränderung in unserem Leben.


Mensch auf meinem Weg,
was darf ich heute für dich sein?
Bin ich Lehre, Botschaft,
bring ich ein Licht herein?

Ich weiß es nicht zu deuten-
zu leis die Klänge deines Lebens,
doch ich spür tief in mir drinnen-
ich komme nicht vergebens.

So möchte ich dich begleiten-
mich in Treue dem Sinn hingeben,
um einen besonderen Faden
in deiner Geschichte zu weben.

© Linda


Es ist nun mal, wie Wolfgang Borchert betont, eines der tollsten Abenteuer im Leben, sich selbst zu begegnen und irgendwann sagen zu können:



Jetzt weiß ich endlich, wer ich wirklich bin!

Jetzt ist mir klar, was ich will und was ich nicht will in meinem Leben!

Jetzt weiß ich, was meiner Seele wirklich gut tut, bzw. was ihr schadet.



Ins Bild gefasst stirbt  der Mensch in seinem alten Ich und wird als liebevolle Seele wiedergeboren. Ich weiß nur- etwas Wertvolleres können wir hier auf Erden kaum erleben. Hinsichtlich dessen verliert auch die  schmerzvollste Vergangenheit irgendwann an Bedeutung. Mir ist heute so was von klar: Hätte ich nicht all das Leidvolle von Kindheit an durchlebt- durchleben müssen- ich wäre nicht der Mensch, der ich heute bin. Und das ist alles, was zählt!

Denn:  Die Liebe wird aus dem Schmerz geboren!


*Linda*




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