Liebe wird durch Schmerz geboren
Ich erinnere mich sehr gern an einen Ausspruch von Chiara
Lubich, den ich vor Jahren entdeckte. Durch ihn wurde mir klar, warum
interessanterweise jene Menschen, die am meisten gelitten hatten- das größte
Maß an Menschlichkeit und Herzensliebe aufzeigten. Wann immer ich Ausschau
hielt nach sensiblen, toleranten,
verständnisvollen, hilfsbereiten, mitfühlenden Menschen- ich fand sie dort, wo Traurigkeit, Armut, Entbehrung, Verletzung, Enttäuschung
Bestandteil ihres Daseins waren. Ja, es
musste so sein, wie Chiara Lubich es beschrieb: Der Schmerz des Menschen
wandelt sich letztendlich in Liebe um.
„Der Durchmesser
einer Baumkrone
entspricht oft dem
Durchmesser der Wurzeln.
Die Liebe eines
Menschen entspricht dem Schmerz,
den er erlitten und
in Liebe umgewandelt hat.“
Chiara Lubich
Eigentlich ein
Unding- denn gerade jene, die es zumeist von Kindheit an sehr hart getroffen
hatte, brachten es dennoch fertig- ihre
Hände, ihre Ohren, ihr Herz für die Sorgen
ihrer Mitmenschen zu öffnen. Ich wollte natürlich wissen, wie das sein
kann und kam zu dem Schluss: Wer tief in der Seele spüren musste, wie es sich anfühlt- abgelehnt, unterdrückt,
misshandelt, ausgelacht, erniedrigt, , für ungenügend erklärt zu werden ungeliebt zu sein - der vermag sich
später in jene hineinzuversetzen, denen
ein ähnliches Schicksal beschert war. Ist ja so- nur was der Mensch hautnah
durchlebt hat, vermag er nachzuvollziehen.
„Hast du auch den Schmerz
gespürt, den ich spürte? Kennst du die
grenzenlose Traurigkeit und Enttäuschung, niemals genug Zärtlichkeit,
Zuwendung, Anerkennung bekommen zu haben?“
Da sind Narben auf der Seele entstanden, die sich für alle
Zeit einbrannten.
So ging ich irgendwann dazu über, von der Gruppe der früh
zerbrochenen Menschen zu sprechen- eindeutig eine Spezies für sich, aber eine
ganz besondere!
Mittlerweile durfte ich noch einen Schritt der Erkenntnis
weitergehen und sage heute:
Diese Menschen- in ihrer, wie selbstverständlich gelebten Zuwendung
zum Anderen- haben im Grunde ein großes
Lebensziel schon erreicht! Schließlich sind wir hier auf Erden, um unsere
Liebesfähigkeit zurück zu gewinnen.
Liebesfähig zu werden ist das
Ziel unseres Lebens.
(Dorothee Sölle)
(Dorothee Sölle)
Wenn uns das Leben in seinem unerklärlichen Auf und Ab 1000
Fragen nach dem „Warum“ der Geschehnisse stellt, dann lautet die Antwort IMMER:
Es geht allein um die Liebe. Etwas Anderes gibt es hier nicht zu tun. Wir
dürfen lernen, uns selbst wieder aus ganzer Seele lieb zu haben, um so fähig zu
werden, Liebe nach Außen zu verschenken.
Alles wurde
geschaffen als Geschenk der Liebe für mich.
Ich wurde geschaffen
als ein Geschenk für die anderen.
Gut, man könnte recht vehement dagegen argumentieren, weil
uns doch etwas Anderes vermittelt wurde!
Sind wir denn nicht hier, um zu leisten, Geld anzuhäufen und unser Ansehen
aufzupolieren?
Sind wir denn nicht
in dem Glauben aufgewachsen, dass es darum geht, sich möglichst kraftvoll gegen
andere durchzusetzen- sich auf das dickste Stück vom Kuchen zu konzentrieren-
egal, was es an fiesem Konkurrenzkampf mit sich bringt? Und nun soll es auf
einmal so sein, dass einer für den Anderen ein Geschenk darstellt?
So sagt es vielleicht die Welt- aber wir sollten uns mal an
Gott wenden und hinterfragen, was er sich von seinen Menschen wünscht. Für Gott
steht allein die Liebe im Fokus.
Ja, ziemlich gegensätzlich das Ganze, doch uns sollte
bewusst sein, wer auf dieser Welt das alleinige Sagen hat. Es ist und bleibt
Gott- bis zum letzten Tage und wenn wir ihm irgendwann gegenüber stehen, dann
wird die Frage nach der Umsetzung unserer Liebesfähigkeit extrem relevant sein.
Wissen wir eigentlich, worum es weiterhin geht? Lapidar gesagt, haben wir hier
auf Erden die einzigartige Chance, die Eintrittskarte
in den Himmel zu erwerben, um für alle Ewigkeit mit Gott zusammen sein zu
dürfen.
Gott hat ja nicht ohne Grund darum gebeten:
„Sammelt bitte keine
Schätze auf Erden, die eh verderben und vergänglich sind. Konzentriert euch
darauf, das zu sammeln und zu hüten, was „himmelstauglich“ ist.“
Anfänglich wies ich darauf hin, dass die früh zerbrochenen
Menschen mit ihrer gewachsenen Liebesfähigkeit im Grunde schon ein Ziel des
Lebens erreichten. Irgendwann führte ich mir vor Augen: So schmerzhaft das Leben
auch gewesen sein mag….können wir heute-
angesichts der göttlichen Vorstellungen- nicht sogar dankbar sein? Wir wissen
schließlich schon, was es heißt, ein liebevolles Miteinander zu verwirklichen.
Wir wissen, dass der wahre Reichtum des Lebens darin besteht, sich verstanden,
gehört und geliebt zu fühlen.
Kein Geschenk mag eine
Menschenseele mehr zu erfreuen als Verständnis.
(Elisabeth Hable)
(Elisabeth Hable)
Hinzu kommt: Diese Welt befindet sich zur Zeit in einem
gravierenden Wandel, der eindeutig
darauf abzielt, dass wieder Frieden, Gerechtigkeit und Liebe einziehen.
Gott ist voll in Aktion und wird sich von seinem Vorhaben
nicht mehr abbringen lassen. Er wird alles Disharmonische so lange durchrütteln
und durchschütteln, bis es seiner Vorstellung von Harmonie und Ordnung
entspricht. Alles Unechte, Unreine wird einem Reinigungsprozess unterzogen,
denn für Gott ist nichts so wichtig wie die Wahrheit:
die Wahrheit über uns
selbst-
die Wahrheit in
unseren Beziehungen-
die Wahrheit über
unser Leben.
Es kann für uns gar nichts Besseres geben- denn wenn Gott
sein Werk beendet hat, werden wir froh sein, endlich das Leben führen zu können,
das unseren tiefen menschlichen Bedürfnissen entspricht. Unsere Seelen schreien
förmlich nach Erlösung und Wahrheit.
Warum sonst schenkt Gott uns gerade in dieser Zeit ein neues
Bewusstsein , bzw., ein neues Herz? Warum ist in der Bibel die Rede davon, dass
der neue Mensch geboren werden muss? Es
kann doch nur damit zusammenhängen, dass uns allen endlich klar wird, warum wir
eigentlich leben:
Zu sein, was wir wirklich
sind, und zu werden, wozu wir fähig sind, ist das einzige Ziel des Lebens.
(Robert Lois Balfour Stevenson)
Eines der tollsten Abenteuer,
die wir auf dieser Welt haben können:
sich selbst zu begegnen.
sich selbst zu begegnen.
(Wolfgang Borchert)
3. Teil
Hier fällt
mir ein Gedicht ein, das recht gut veranschaulicht, was es heißt, als neuer
Mensch wiedergeboren zu werden:
Leergut
„Das leere Leben
abgeben
wie eine Pfandflasche
und eintauschen
gegen ein gefülltes
Leben..
Den Deckel
abschrauben
den Inhalt
ausgießen….
ein ganz neues Ich
einfüllen
ein neues Etikett
draufkleben
und ganz neu anfangen.“
Von unbekannt
Nur- so einfach, wie es
sich liest, ist es leider nicht. Mal eben so das alte Leben gegen ein
neues eintauschen- wird nicht gehen. Schließlich müssen ja die alten
Verstandesschalen nach und nach abfallen und so ein Prozess ist
verständlicherweise von Schmerz begleitet. Aber das Ganze ist halb so schlimm,
wenn wir wissen, dass jeder Schmerz uns hilft, endlich der Mensch zu werden,
der wir wirklich sind. Ich weiß noch zu gut, wie sehr ich früher die Menschen
anklagte, die mich verletzten, bis ich begriff:
Eigentlich durfte ich ihnen im Nachhinein sogar noch dankbar
sein, denn nichts ließ mich schneller wachsen als diese Verletzungen. Im Grunde
kommt jeder Mensch mit einer sehr
wertvollen Aufgabe in unser Leben: damit wir lernen, ein bedingungsloses JA zu
uns selbst zu sagen und zunehmend innere Stärke zu entwickeln.
Hier passt ein Spruch sehr gut:
„Kommt ein Schmerz,
dann halte still
und höre, was er dir
sagen will.“
…..denn so ein Schmerz ruft immer nach Veränderung in
unserem Leben.
Mensch auf meinem Weg,
was darf ich heute für dich sein?
Bin ich Lehre, Botschaft,
bring ich ein Licht herein?
Ich weiß es nicht zu deuten-
zu leis die Klänge deines Lebens,
doch ich spür tief in mir drinnen-
ich komme nicht vergebens.
So möchte ich dich begleiten-
mich in Treue dem Sinn hingeben,
um einen besonderen Faden
in deiner Geschichte zu weben.
© Linda
Es ist nun mal, wie Wolfgang Borchert betont, eines der
tollsten Abenteuer im Leben, sich selbst zu begegnen und irgendwann sagen zu
können:
Jetzt weiß ich
endlich, wer ich wirklich bin!
Jetzt ist mir klar,
was ich will und was ich nicht will in meinem Leben!
Jetzt weiß ich, was
meiner Seele wirklich gut tut, bzw. was ihr schadet.
Ins Bild gefasst stirbt
der Mensch in seinem alten Ich und wird als liebevolle Seele wiedergeboren.
Ich weiß nur- etwas Wertvolleres können wir hier auf Erden kaum erleben. Hinsichtlich
dessen verliert auch die schmerzvollste
Vergangenheit irgendwann an Bedeutung. Mir ist heute so was von klar: Hätte ich
nicht all das Leidvolle von Kindheit an durchlebt- durchleben müssen- ich wäre
nicht der Mensch, der ich heute bin. Und das ist alles, was zählt!
Denn: Die Liebe wird aus dem Schmerz geboren!
*Linda*
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