Sonntag, 29. Januar 2017

Ich reise, um unterwegs zu sein….









Ich reise, um unterwegs zu sein….


Es gab mal eine Situation, da fühlte ich mich dazu aufgerufen, mich in möglichst kurz und knapp zu beschreiben. Nach einigen Überlegungen kam ich zu dem Schluss: Ich bin  „eigentlich nur“ eine Seele auf Reisen und das von der Geburtsstunde bis zu meinem Tode.“ Natürlich kommt gemäß meiner Lebensanschauung nichts von ungefähr, auch diese scheinbare Reduzierung nicht. Veranlasst dazu hat mich ohne Frage ein Leben, das gar nicht das meine war- ein Leben, das eines Tages einen rigorosen Schlussstrich erhielt, begleitet von den Worten: Das tu ich mir alles nicht mehr an!  Ich will nur noch das leben, was ich von innen her auch voll vertreten kann und egal, was ich tu- wohin ich auch gehe, was ich auch sage- immer soll es meiner inneren erfühlten Seelenwahrheit entsprechen! Na ja und so ergab es sich von ganz allein, dass ich mich als eine Seele auf Reisen sehe- in der Gewissheit, dass ich so nie wieder in die Verstandesspur abdrifte.

Doch es gab noch so etwas wie ein Schlüsselerlebnis- eine kleine Parabel in dem Buch: “Gespräche mit Gott.“

„Eine kleine Seele befand sich inmitten anderer leuchtenden Seelen  und rief freudig aus: „Ich bin das Licht, ich bin das Licht!“ Doch jedes Wissen und Aussprechen konnte die Erfahrung davon nicht ersetzen. In dem Reich, aus dem die Seele kam, gab es nichts außer diesem Licht. Und so war die Seele eine Kerzenflamme in der Sonne. Inmitten des grandiosen Lichtes konnte sie sich selbst nicht sehen und auch nicht erfahren, wer und was sie wirklich ist. Nun geschah es, dass diese Seele sich danach sehnte, sich selbst kennen zu lernen. Gott sprach zu ihr:“ Weißt du ,kleine Seele, du bist voller Licht, ohne Frage- doch um dich wirklich als solches überhaupt erkennen zu können, bedarf es der Notwendigkeit, dass du dich vom Rest von uns trennst und dann die Finsternis für dich herbeibeschwörst.

“ Was ist denn die Finsternis, Gott?“ fragte die kleine Seele.

„Das, was du NICHT bist“, erwiderte Gott.

Und so entfernte sich die Seele von Allem und machte sich  in ein anderes Reich auf. Hier hatte sie die Möglichkeit, sämtliche Formen von Finsternis zu erfahren. Doch inmitten der Finsternis und in all dem Schmerz rief sie: “Gott, warum hast du mich verlassen?“ Und Gott erwiderte: “Ich habe dich nicht verlassen- ich möchte dir nur ermöglichen, dass du im dunkelsten Dunkel erkennst, wer du wirklich bist und sein möchtest! Wenn du von dem umschlossen bist, was du nicht bist- dann wirst du erkennen können, wer du wirklich bist und sein möchtest!“

Als ich diese Geschichte zum ersten Mal las, löste sie immens etwas in mir aus. Schließlich stellte ich mir im Leben sehr oft die Frage nach dem Grund meines Hierseins- suchte  den Grund für all die Leiderfahrung. Mein Leben war eine Achterbahnfahrt und ich wusste nicht mehr zu sagen, wie oft ich hinfiel, um mich wieder zu erheben und weiter zu gehen, bis zum nächsten Sturz. Klar verurteilte ich das Leben, es gab mir ja auch keine Antwort auf die Frage nach dem: “Warum?“ Und sowieso- war Leben auch nur im Entferntesten in seinen „Stimmungen“ einzuordnen? Gab es da so etwas wie einen roten Faden, der mir half, den! Weg zu gehen?

Heute sehe ich alles aus einer völlig anderen Perspektive und befinde mich seit Langem in der Haltung, mich vor diesem liebevollen Leben voller Dankbarkeit zu verbeugen. Ich weiß nämlich: Wäre all der Schmerz nicht gewesen- hätte mich diese Finsternis nicht radikal zur Auseinandersetzung gezwungen- ich hätte nie richtig zu mir gefunden, wüsste heut noch nicht, wer ich denn bin und wer ich wirklich sein möchte, was ICH für mein erfülltes  Leben wünsche und brauche. Jede Krise, jeder Schmerz waren im Grunde wunderbare Chancen, um neue Einsichten zu gewinnen- Leben aus einer anderen Perspektive zu sehen, neue Haltungen einzunehmen. Manchmal müssen wir halt so viel Schmerz erleiden, bis wir uns sagen: „Das tu ich mir nicht mehr an! Das bin ich nicht und will ich nicht sein!“

Leben ist in seinen Windungen eigentlich nicht schwer zu verstehen. Wir gehen halt durch das, was wir nicht sind, um überhaupt in die Einsicht kommen zu können, wer wir denn wirklich sind und sein wollen. Die Gegensätzlichkeit will hautnah durchlebt werden, denn das eine kann ohne das andere nicht existieren. Ein sehr gutes Beispiel ist der Vorgang des Ein- und Ausatmens. Es gibt kein entweder- oder, sondern nur ein: sowohl, als auch. Kann ich wissen, was kalt bedeutet, wenn ich niemals Wärme erfuhr? Und so ist quasi das Böse der Dünger für das Gute.


Da gibt’s eine passende Episode:



„Es kam ein Mann zu Buddha und fragte ihn nach dem Weg, um ein ehrenhaftes glückliches Leben zu führen.

Buddha richtete an ihn die Frage:

„Hast du schon einmal gestohlen?“

„Oh nein!“, wehrte der Mann entrüstet ab- „so etwas tut man doch nicht!“

Buddha:

„Dann geh und stehle und dann komm wieder!“




„Ich habe gut und böse gekannt,
Sünde und Tugend,
Recht und Unrecht.
Ich habe gerichtet und bin gerichtet worden;
Ich bin durch Geburt und Tod gegangen,
Freude und Leid, Himmel und Hölle
Und am Ende erkannte ich,
dass ich in allem bin
und alles in mir ist.“


Hazrat Inayat Khan







Ich sage sehr oft: Jede Seele geht ihren ganz eigenen Weg, ist in der für sie perfekten Lebenssituation, um das erfahren zu können, was sie in diesem Leben erfahren möchte. Darum bin ich längst aus jeder Haltung der Verurteilung ausgestiegen, denn ich weiß nicht zu sagen, was diese oder jene Seele gerade lernen und erfahren möchte. Ich weiß nur, alles ist gut so wie es ist, weil Seele darauf aus ist, alle erdenklichen menschlichen Eigenarten kennen zu lernen.
Gemessen an meinem Leben war ich zum Beispiel der sprichwörtliche Gutmensch, der ständig mit einem JA im Mund herumlief- absolut keine Grenzen zog und alles tat, damit es anderen gut ging. Und heute sage ich: genau die! Erfahrung des selbstlosen Aufopferns wollte meine Seele in diesem Leben machen, um irgendwann in die Erkenntnis zu kommen: Nächstenliebe, schön und gut- aber sich selbst dabei vergessen- das geht nicht! Das steht im Gegensatz zur Selbstachtung mir gegenüber!
Ich musste zum Beispiel auch hautnah erfahren, was es heißt, eine unerfüllte Ehe zu führen- so lang, so intensiv schmerzhaft, bis ich den Fluch ausstieß: “Das werde ich mir niemals wieder in meinem Leben antun! So ist Partnerschaft gewiss nicht gedacht!“ Hätte ich zu der Einsicht kommen können ohne den Schmerz? Es muss manchmal richtig richtig weh tun, damit wir aufwachen!

Da mein Gottvertrauen seit der Kindheit aus freien Stücken immens stark ist und sich  immer weiter festigte, sagte mir ein Ausspruch besonders zu:



„Gott wartet auf uns-

bis wir uns für die Liebe und das Leben öffnen.“



Er passt ja auch wunderbar zu der kleinen Seelengeschichte……..und zeigt mir sehr deutlich auf, dass Gott nicht der ewige Richtende ist, der mit Bestrafung droht…..oh nein….Gott wartet wirklich ganz geduldig, bis wir diese Finsternis durchlebt haben, um uns als das zu erkennen, was wir wirklich sind:

Einzigartige vollkommene Wesen mit einem inneren Kern, der von Sensibilität, Berührbarkeit, Weichheit, Verletzlichkeit spricht und ganz viel vom Kind beinhaltet!
Ich hab gerade das Bild vor Augen: vielleicht gleicht das Leben einem Steinmetz, der Hand anlegt, um nach und nach die nötigen Konturen unseres Mensch- Seins herauszuarbeiten. Und wenn er seine Arbeit beendet hat- erstrahlt da  das Kunstwerk Mensch in seiner allerhöchsten und schönsten Version.

Wir dürfen in die wunderbare Erfahrung (Erinnerung)  wachsen, aus ganzem Herzen zu lieben und um unser selbst willen geliebt zu werden- völlig bedingungslos, ohne Erwartung – einfach, weil die wahre tiefe Liebe sich nichts Schöneres vorstellen kann, als sich zu verschenken um ihrer selbst willen.



Wenn ich zuvor anführte, dass Gott auf jeden von uns wartet, bis wir uns für die Liebe und das Leben öffnen- dann weiß ich heute sehr viel hineinzulegen. Ich denke, dass Gott sich nichts mehr wünscht, als dass wir uns zunächst für die wertfreie Liebe zu uns selbst öffnen, weil wir erst dann fähig sein werden, eine ebenso wertfreie Liebe nach Außen zu verschenken- ohne jedes Bedürfnis, ohne Erwartung, ohne Pflichtgefühl. Denn die Liebe als stärkste Macht der Welt will „nur“ lieben um ihrer selbst willen Doch um dort anzugelangen, müssen wir unser ebenso bedingungsloses JA zum Leben sagen und verstehen, dass alles, was geschieht, immer zu unserem Wohle und Wachstum sein wird.

Aus eigener Erfahrung darf ich zusichern: Wir werden  von Gott nicht allein gelassen! Zum einen werden wir exakt in den für uns entsprechenden „Lern-Lebenssituationen“ sein, zum anderen scheint Seele wie von Wunderhand genau jene Menschen ins Leben zu ziehen, die uns, wenn auch oft  unbewusst, sehr viel über unseren Weg erzählen. Nein, für mich gab es irgendwann keine zufälligen Begegnungen mehr. Da sag ich heute eher: „Zufälle sind Schleier, unter denen sich die Notwendigkeit verbirgt.“ Ich spreche heute von Fügungen, angelehnt an das Bild des großen Lebensmosaiks, das sich nach und nach vervollständigt und das Wunderbare wird sein: Jedes Mosaik, so verschieden die Farbgebung auch ist- wird doch letztendlich den einheitlichen Namen „wahre Liebe“ tragen!

Auch hier komm ich nicht umhin, zu sagen: Wir können und dürfen nicht totschweigen, was leben will! Leben ruft nach dem Ausdruck unserer Einzigartigkeit und ich denke, es ist zu verstehen, warum ich mich  in einer Welt, die von Macht „über“- Rechthaberei- Profit- Korruption – Verschleierung usw. spricht, nicht heimisch fühle!
Doch zum Glück besitzt ein jeder sein Maß an Freiheit, selbst zu entscheiden, in welcher Welt er leben möchte und ich denke, ich bin  in diesem Leben an dem Ort angekommen, an dem sich meine, wenn auch arg verwundete Seele endlich zu Hause fühlen darf.

*Linda*

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